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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich
Autoren: Dennis Lehane
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was an, Senator?«
»Die Unterlagen, Pat.«
»Was geht Sie was an, Senator?« wiederholte ich.
»Das Gemeinwohl natürlich.« Er kicherte. »Ich würde mich gerne hinsetzen und dir die Grundsätze des Utilitarismus darlegen, Pat, aber ich habe leider keine Zeit. Ein paar Schläge von deinem Alten auf den Hinterkopf sind kein Grund, sich einzumischen, Junge.«
Ein paar Schläge. Zwei Krankenhausaufenthalte in den ersten zwölf Jahren meines Lebens.
Ich fragte: »Wußten Sie das von Paulson? Alles, meine ich?«
»Jetzt komm schon, Junge. Erfüll deinen Teil des Vertrags, und dann gehen wir wieder getrennte Wege.« Dicke Schweißperlen standen ihm auf der Oberlippe.
»Wieviel wußten Sie? Wußten Sie, daß er kleine Jungen fickt?«
»Es besteht hier kein Anlaß für eine solche Ausdrucksweise«, sagte Mulkern und sah sich lächelnd im Raum um.
Angie erkundigte sich: »Dann sagen Sie uns bitte, welche Sprache Sie für angemessen halten, und wir sehen, ob man sie auf Kindesmißbrauch, Prostitution, Erpressung und Mord anwenden kann.«
»Wovon redet ihr jetzt schon wieder?« rief Mulkern. »Ich höre hier nur Schwachsinn. Schwachsinn. Gib mir die Unterlagen, Pat.«
»Senator?«
»Ja, Pat?«
»Nennen Sie mich nicht Pat. So nennt man einen Hund, keinen Menschen.«
Mulkern lehnte sich zurück und verdrehte die Augen. Offensichtlich kam ich nicht an ihn heran. Er stöhnte: »Junge, du…«
»Wieviel wußten Sie, Senator? Wieviel? Ihr Schoßhund bumst kleine Jungen, und überall kratzen die Leute ab, weil er und Socia ein paar Filme fürs Heimkino gedreht haben und die Sache aus dem Ruder lief. Stimmt’s? Warum hat Socia Paulson erpreßt? Damit er wegen der Gesetzesvorlage zum Straßenterrorismus einen Rückzieher macht? Und Paulson, hat er sich die Bilder seiner verlorenen Unschuld angeguckt und dabei ein bißchen zuviel getrunken, und Jenna fand sie? Fand die Fotos von ihrem Sohn, der von dem Mann mißbraucht wurde, für den sie arbeitete? Den sie vielleicht sogar gewählt hatte? Wieviel wußten Sie, Senator?«
Er glotzte mich an.
»Und ich war der Köder«, fuhr ich fort. »Stimmt das?« Ich sah Jim an, der verdutzt zurückstarrte. »Ich sollte Socia und Paulson zu Jenna führen, damit sie die Schweinerei aus der Welt schaffen konnten. War das so, Senator?«
Er bemerkte meine Wut und Empörung und lachte. Er wußte, daß ich nichts gegen ihn in der Hand hatte, nur Fragen und Anschuldigungen. Er wußte, daß ihm niemand irgendwas nachweisen konnte, und sein siegessicherer Blick verfinsterte sich. Je mehr ich fragte, desto weniger würde ich bekommen. So war das nun mal.
Er befahl: »Gib mir die Unterlagen, Pat!«
Ich erwiderte: »Zeig mir den Scheck, Sterl!«
Er hielt die Hand hin, und Jim legte den Scheck hinein. Jim sah mich an, als hätten wir jahrelang zusammen das gleiche Spiel gespielt, und er stellte erst jetzt fest, daß ich keinen Schimmer von den Regeln hatte. Langsam schüttelte er den Kopf, wie eine von ihrem Sohn enttäuschte Mutter.
Mulkern füllte das Feld für »Empfänger« aus, setzte aber keine Summe ein. »Die Unterlagen, Pat«, sagte er abermals.
Ich griff unter den Stuhl und reichte ihm den Umschlag. Er öffnete ihn, nahm die Fotos heraus und legte sie auf den Schoß. »Diesmal keine Kopien? Ich bin stolz auf dich, Pat.« »Unterschreiben Sie den Scheck, Senator«, erwiderte ich.
Er blätterte die restlichen Fotos durch, lächelte traurig über eins und steckte sie in den Umschlag zurück. Dann nahm er wieder den Stift zur Hand und klopfte damit leicht auf die Tischfläche. Wieder wandte er sich an mich: »Pat, ich finde, du brauchst eine erzieherische Maßnahme. Ja. Deshalb halbiere ich den Zuschlag. Wie wär’ das?«
»Ich habe Kopien gemacht.«
»Die nützen nichts vor Gericht.«
»Können aber trotzdem einen ganz schönen Wirbel verursachen.«
Er sah mich an, taxierte mich kurz und schüttelte den Kopf. Dann beugte er sich über den Scheck.
»Rufen Sie Paulson an«, schlug ich vor. »Fragen Sie ihn, welches fehlt.«
Der Stift hielt inne. »Fehlt?« fragte er.
»Fehlt?« fragte Jim.
»Fehlt?« wiederholte Angie, um die beiden zu ärgern.
Ich nickte. »Welches fehlt. Paulson wird Ihnen sagen, daß es insgesamt zweiundzwanzig waren. In dem Umschlag sind aber nur einundzwanzig.«
»Und wo soll das sein?« fragte Mulkern.
»Unterschreiben Sie den Scheck und suchen Sie’s selbst, Wichser.«
Ich glaube nicht, daß Mulkern in seinem ganzen Leben schon mal »Wichser« genannt worden war. Schien ihm auch
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