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Sträfliche Neugier

Sträfliche Neugier

Titel: Sträfliche Neugier
Autoren: Claus H. Stumpff
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Tübingen sowie ein
langer Brief von Frau Martina Curtius. Weiterhin lag die Kopie einer
handschriftlichen Erklärung bei, die von Dr. Martin Curtius unterzeichnet war.
    Sebastian war gerade eingetreten, als Claudia den Umschlag
öffnete.
    »Ich habe das Gefühl, diese Schriftstücke hier werden uns
ganz schön aufregen«, sagte sie zu Sebastian. »Aber komm, lesen wir doch
gemeinsam, was uns diese Rechtsanwälte schreiben:«
     
    Sehr geehrter
Herr Herzog,
    ich muss Ihnen
mitteilen, dass mein früherer Sozius Doktor Kienzle verstorben ist. Mein
jetziger Partner ist RA. Dr. Bernd Hollmann. Unsere Kanzlei vertritt nicht mehr
die Interessen unserer früheren Mandantin, Frau Martina Curtius, der wir Ihren
Brief zur direkten Beantwortung zugeleitet haben.
     
    Mit freundlichen
Grüßen
    Dr.Hanns Gruber
     
    Dann lasen beide den Brief von Martina Curtius:
     
    Sehr geehrter
Herr Herzog,
    über die Kanzlei
Doktor Gruber & Doktor Hollmann erhielt ich Ihren Brief. Es freut mich,
dass die silberne Schatulle meines Bruders auf so sonderbare Weise wieder zum
Vorschein gekommen ist. Ich hoffe, dass Ihr junger Freund durch den Überfall
keinen körperlichen Schaden beibehalten wird. Inzwischen weiß ich auch, dass in
dieser Schatulle weder Geld noch Wertpapiere enthalten waren. Das hat mir mein
Bruder in der als Kopie beiliegenden Erklärung mitgeteilt.
    Mein Bruder
Martin hat mich - soweit meine Erinnerung zurückreicht - nichts als belogen. Er
hat bereits als kleines Kind viel geschwindelt, und ich habe mich daran
gewöhnt, ihm nichts mehr zu glauben. Wenn Sie seine beiliegende Erklärung gelesen
haben, werden Sie wissen, was ich meine. Ich fand dieses Schriftstück erst
kürzlich beim Aufräumen in einem Karton mit verschiedenen Utensilien aus seinem
Nachlass. Ich muss damals wohl dieses ›Testament‹ übersehen haben. Er erwähnt
darin auch etwas von Tagebüchern. Davon habe ich in seinem Nachlass nichts
gefunden, wahrscheinlich hat er alle danach verschenkt.
    Ich bin jetzt
alt und habe keine Erben. Was sollte ich da noch mit dieser silbernen Schatulle
anfangen? Es handelt sich dabei um ein altes Erbstück aus dem Nachlass unseres
Urgroßvaters. Vermutlich stammt es aus dem 18. Jahrhundert. Aber mein Bruder
hat ohnehin verfügt, dass Claudia und Max Berger diese Antiquität erben
sollten. Er muss die beiden, die als Kinder in seinem Haus herumtollten, wohl
sehr gern gehabt haben.
    Es freut mich
sehr, dass nach so langer Zeit endlich ein Schlussstrich unter alles gezogen
werden kann.
     
    Mit freundlichen
Grüßen
    Martina Curtius
     
    Andächtig nahm Claudia nun die handschriftliche Erklärung
von Doktor Curtius zur Hand, zwei eng beschriebene DIN A4-Seiten. Sie zögerte
mit dem Lesen, als wolle sie die große Spannung noch eine Weile genießen. Ein
sonderbares Gefühl überkam sie, als sie die akkurate Handschrift ihres Doktor
Hokuspokus betrachtete. Ja, so war er gewesen, immer korrekt, jeder
Buchstabe wirkte wie hingemalt. Dann las sie:
     
    Für den Fall meines Todes –
    meiner Schwester Martina gewidmet:
     
    Ich weiß wohl, dass ich viel falsch gemacht habe in meinem
Leben. Es tut mir leid, dass ich Dich so oft belogen und in Angst versetzt
hatte. Weißt Du noch, wie Du einst aus der Schule kamst und ich Dich mit den
Worten empfing: ›Mama ist tot!‹ Du bist vor Schreck fast in Ohnmacht gefallen
und ich habe mich darüber gefreut. Wie hat Mama danach mit mir geschimpft!
    Als Du mich mal besuchtest, sahst Du die silberne Schatulle
unserer Urgroßeltern in meinem Regal stehen und nahmst sie in die Hand. Ich
fuhr Dich deswegen heftig an und belog Dich wieder, indem ich behauptete, in
der Schatulle befänden sich mein ganzes Barvermögen und alle Wertpapiere. Was
habe ich mich innerlich gefreut, als ich mir vorstellte, was für ein Gesicht Du
machen würdest, wenn Du nach meinem Tod die Schatulle öffnest. Ja, ich bin halt
ein recht boshafter Mensch.
    Auf der anderen Seite habe ich stets vergeblich nach Wärme
und Anerkennung gesucht. Als ich in den USA eine großartige Erfindung gemacht
hatte – was übrigens der einzige wirkliche Erfolg in meinem bisherigen Leben
war – hatte mich das mit großem Stolz erfüllt. Ein Produkt trug sogar einen
Teil meines Namens, nämlich ›Viscurt‹, und wurde als Warenzeichen eingetragen.
Doch meine Enttäuschung war groß, als man mir die erhoffte Erfindervergütung
mit vielen fadenscheinigen Begründungen verweigerte.
    Frustriert kehrte ich nach Deutschland zurück,
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