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Sträfliche Neugier

Sträfliche Neugier

Titel: Sträfliche Neugier
Autoren: Claus H. Stumpff
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eine Patientenkartei existiert. Und tatsächlich, ich
hatte Glück und bekam von dem Dienst habenden Sanitätsgefreiten Ihre Adresse.
Aber glauben Sie mir, ich ahnte nicht, dass ich sie so schnell brauchen würde.
Doch nun bin ich hier und hoffe, dass Sie mir wenigstens für ein paar Tage
Obdach geben werden. Ich bin übrigens völlig abgerissen und mittellos, stehe
also quasi als Bettlerin vor Ihnen.«
    Wie ein Wasserfall sprudelten diese Sätze aus ihr heraus
und sie geriet dabei außer Atem. Erwartungsvoll schaute sie Rüdiger an, der
noch immer wie angewurzelt vor ihr stand.
    Doch dann ging er auf sie zu und reichte ihr beide Hände:
    »Ich bin wirklich froh, dass Sie in Ihrem Unglück an mich
gedacht haben! Fühlen Sie sich hier wie zu Hause, Sie können bei mir bleiben,
so lange Sie wollen. Sie glauben gar nicht, wie betrübt ich war, als ich
abtransportiert wurde, ohne Ihnen meine Adresse hinterlassen zu haben. Doch was
stehen wir immer noch hier herum, kommen Sie! Allerdings dürfen Sie sich nicht
näher umsehen, meine alte Haushälterin kann die vielen Räume nämlich nur
oberflächlich in Ordnung halten, hier fehlt die Hausfrau. Nur eine Bitte habe
ich: Lassen Sie das dumme Oberleutnant weg. Diese Zeiten sind
hoffentlich für immer vorbei. Für Sie bin ich der Rüdiger, und wenn Sie nichts
dagegen haben, werde ich Sie Gerlinde nennen.«
     
    Gerlinde blieb länger als geplant. Rüdiger fühlte sich
trotz seiner Behinderung unsagbar glücklich. Und auch Gerlinde spürte, dass es
zwischen ihnen mehr gab als bloße Sympathie oder Erinnerungen an die schlimmen
Tage hinter der Front.
    Wie an jedem Nachmittag machten beide einen Spaziergang
über die umliegenden Felder. Die Hunde Bella und Wotan sprangen fröhlich und
ausgelassen neben ihnen her.
    »Hier, diese riesigen, verkrauteten Flächen, das alles sind
mal Äcker gewesen. Der Boden ist hier ganz ausgezeichnet und wegen seines
vulkanischen Ursprungs recht nährstoffreich, leider aber auch sehr steinig. Ich
weiß noch nicht genau, was ich daraus machen werde, wenn der Krieg erst einmal
vorbei ist, aber ich habe schon so einige Ideen.« Rüdiger blieb stehen und
schaute seine Begleiterin an. »Hier oben hatten wir im Wechsel verschiedene
Getreidesorten, Kartoffeln, Rüben und so weiter angebaut. Aber dazu braucht man
viel Personal oder große Maschinen, wie sie die Farmer in den USA verwenden.
Doch dafür ist unser Grund zu klein und unwirtschaftlich. Und ob ich jemals
wieder Landarbeiter einstellen werde, ist sehr fraglich. Meinem Vater hatten
die NS-Parteifunktionäre ukrainische Fremdarbeiter zur Verfügung stellen
wollen, als unsere eigenen Leute eingezogen wurden. Er hatte das aber abgelehnt
und gesagt: »Auf diesem Grund und Boden wurden noch nie Sklaven gehalten und
dabei bleibt es auch« , oder so ähnlich. Diese Haltung trug ihm zunächst
einigen Ärger ein, doch als zunehmender Mangel an Zwangsarbeitern aus dem Osten
bestand, erledigte sich dieses Thema von selbst. Aber nun sind die Böden total
verwildert und ich weiß nicht, ob ich jemals wieder nutzbares Ackerland daraus
machen kann und will. Ich denke jetzt oft über mein Leben nach und frage mich,
ob die Weiterführung der Landwirtschaft für mich noch sinnvoll ist.«
    Nebeneinander gingen sie weiter. Zufällig berührten sich
dabei ihre Arme. Rüdiger fühlte eine wunderbare Wärme in sich aufsteigen, blieb
stehen und wandte sich Gerlinde zu:
    »Wissen Sie, was ich mir von ganzem Herzen wünsche?«
    Neugierig schaute Gerlinde zu ihrem um einen guten Kopf
größeren Begleiter auf, sagte aber nichts.
    »Ich will es Ihnen verraten: Es wäre wunderbar, wenn Sie
für immer bei mir blieben.« Rüdiger zog sie an sich, dann küssten sie sich
leidenschaftlich. Leider setzte ein plötzlicher Regenschauer ein. Sich an den
Händen haltend rannten sie lachend dem Haus zu. Als sie dort völlig durchnässt
ankamen, fielen sie sich wieder in die Arme und küssten sich.
     
    »Ich hatte schon damals im Lazarett darauf gehofft, dass du
mich in deine Arme nehmen würdest«, sagte Gerlinde nach ihrer ersten
Liebesnacht. »Aber neben dir kam ich mir so klein und unbedeutend vor. Nun weiß
ich, wohin ich gehöre. Ich werde immer an deiner Seite sein, was auch kommen
mag. Unsere Wege sollen sich nie mehr trennen.« Sie konnte nicht wissen, welch
tragische Konsequenzen dieses Gelöbnis eines Tages haben würde.
    »Wie schön, dass du das so sagst.« Rüdiger küsste sie
erneut. »Ich möchte, dass wir ganz schnell
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