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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Elizabeth Amber
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Scena Antica I
    2. Februar im Jahre 374 n. Chr.
Forum Romanum
    »Wohin gehen wir, Mutter?«, fragte die sechsjährige Silvia und hüpfte aufgeregt herum. Sie war mit ihren Eltern auf dem Weg zum Forum Romanum und hatte keine Ahnung, dass sich schon bald ihr Schicksal entscheiden würde.
    »Still, Kind«, lautete die scharfe Antwort.
    »Vater?«, beharrte Silvia und sah ihn mit ihren klaren blauen Augen an. Seine Miene war schmerzerfüllt, als er ihr einen kurzen Blick zuwarf. »Tu, was deine Mutter sagt.«
    Doch Silvia wusste, dass sie ihn mit ihrem Geplauder immer aus seiner trüben Stimmung holen konnte. Sie wollte seine Hand nehmen, doch dieses Mal schüttelte er sie ab.
    Ihre Mutter warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Glaube nur ja nicht, dass ich nicht sehe, wie deine Hände und deine Blicke auf ihr verweilen.«
    »Ich liebe sie!«
    Ihre Mutter schnaubte. »Eine abartige Liebe.«
    Ihr Vater war nur selten wütend, doch als er nun antwortete, war seine Stimme voll unterdrücktem Zorn. »Sie ist meine einzige Tochter. Ich habe nicht die Absicht, sie in irgendeiner Weise zu verletzen.«
    »Vielleicht nicht heute, aber sie ist auch erst sechs Jahre alt«, fuhr ihre Mutter anklagend fort. »Was wird sein, wenn sie älter ist?« Sie packte Silvia am Handgelenk – dabei achtete sie sorgsam darauf, nicht ihre Handfläche zu berühren – und zog sie mit sich. Ihr Vater kam langsamer hinterher.
    Nahe einem der Tempel auf dem Forum hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Dort waren auch andere Mädchen, alle etwa in ihrem Alter, die in einer Gruppe beisammenstanden. Und mitten unter ihnen stand ihr Onkel und betrachtete sie alle mit eindringlichem Blick. Die erwartungsvolle Haltung der Zuschauer wirkte beängstigend auf Silvia. Es erinnerte sie an das blutdürstige Publikum im Kolosseum bei den Gladiatorenkämpfen. Sie versuchte, langsamer zu gehen.
    »Das ist die Zeremonie zur Wahl der Jungfrauen«, schalt die Mutter. »Es ist eine Ehre, dafür in Betracht gezogen zu werden.«
    »Nein! Ich will nicht dorthin gehen!« Silvia befreite sich aus ihrem Griff und rannte auf ihren Vater zu, um die Arme um seine Mitte zu schlingen.
    Er stöhnte auf und schob sie von sich weg. »Cara, du kannst nicht bei uns bleiben, verstehst du? Wenn du bleibst, dann fürchte ich, dass ich – dass ich dir weh tun werde. Deine Mutter hat recht damit.« Er ließ sie los und schob sie auf ihre Mutter zu, die dastand und beide finster ansah.
    »Hast du mich denn nicht lieb?«, fragte Silvia leise.
    Sein Blick glitt über sie; dann fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und sagte resigniert: »Zu sehr, Silvia. Ich liebe dich zu sehr. Du bist etwas Besonderes. Eine Versuchung für jeden Mann. Mit diesen deinen Händen bist du dafür geboren, im Tempel zu dienen. Geh. Du musst tun, was dein Onkel, Pontifex, dir sagt. Kehre nicht wieder zu uns zurück.« Damit ließ er sie stehen und wandte ihr den Rücken zu, um nach Hause zu gehen.
    Doch wieder rannte Silvia ihm nach, ergriff seinen Arm und flehte ihn an, sie nicht zu verlassen. »Und wenn ich brav bin und tue, was Pontifex sagt, erlaubst du mir dann, wieder nach Hause zu kommen?«
    Die Mutter riss sie von ihm weg und zerrte sie am Kragen zum Forum. »Fass ihn ja nicht an mit deinen Teufelshänden, Kind!«
    Silvia starrte auf ihre Hände. Ihre verdammungswürdigen Hände. Ihr eigener Vater hatte sich von ihr abgewandt wegen dieser Hände. Sie wünschte, sie könnte sie abhacken, wenn er sie dann nur wieder mit Zuneigung ansehen würde.
    Stattdessen tat sie, wie ihr Vater wünschte, und ließ es geschehen, dass die Mutter sie zum Forum brachte und ihre Hand in die ihres Onkels legte, Pontifex Maximus. Er fühlte die fremdartige und schreckliche Wärme darin und lächelte ihrer Mutter zu. »Ja, du hattest recht, was sie angeht. Sogar ihr Haar ist wie Feuer.«
    Er strich mit der Hand über Silvias ungebändigtes rotgoldenes Haar und hob ihr Kinn. »Komm, Amata, komm mit zu den anderen.«
    »Ich will nach Hause«, flüsterte sie.
    »Dein Zuhause ist jetzt hier, kleine Fee«, antwortete er. Während er sie mit sich zum Tempel zog, sah sie ihrer Mutter nach, die mit einem Beutel voller Münzen wegging, ihrem Lohn dafür, dass sie sie weggegeben hatte.
    Und so geschah es, dass Silvia im zarten Alter von sechs Jahren dem Dienste Vestas, der Göttin des Feuers, geweiht wurde.

1
    Hügel Esquilin in Rom, Italien
Erdenwelt, im Februar 1881
    H err Bastian Satyr war in der Tat ein ziemlich
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