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Stolz und Verlangen

Stolz und Verlangen

Titel: Stolz und Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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sich um und begegnete Jaspers forschendem Blick. Sie war attraktiv. Nicht auf die sensationelle Art wie ihr herrliches Haar, aber dennoch äußerst liebreizend. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine markante Nase und schöne blaue Augen, die ihn unter dichten Wimpern hervor ansahen. Als sie sich auf die Unterlippe biss, enthüllte sie gerade weiße Zähne, und als sie die Lippen dann schürzte, bildete sich in ihrem Kinn ein kleines Grübchen. Ihr Gesicht war eher apart als schön, und in ihrer Miene spiegelte sich bei Jaspers Anblick deutliches Missfallen.
    »Mr. Bond«, sagte sie nach kurzem Zögern, »ich habe Sie gar nicht bemerkt.«
    Dafür könnte man den Chor verantwortlich machen. Die Wahrheit war jedoch, dass er die Gabe hatte, sich völlig lautlos zu bewegen. Diese Fähigkeit hatte er sich vor langer Zeit angeeignet. Sie hatte ihm damals das Leben gerettet wie auch in den Jahren darauf.
    Die Frau stand auf, ging entschlossenen Schrittes zu ihm und streckte ihm die Hand entgegen. Wie auf Kommando beendete der Chor seine Hymne und hinterließ eine jähe Stille, in die hinein sie sagte: »Mein Name ist Eliza Martin.«
    Ihre Stimme überraschte ihn. Sanft wie eine Sommerbrise, aber durchsetzt mit Stahl. Der Klang blieb in der Luft hängen, regte Jaspers Fantasie dazu an, in Richtungen abzuschweifen, die er tunlichst vermeiden sollte.
    Er nahm den Spazierstock in die andere Hand und begrüßte die Frau. »Miss Martin.«
    »Danke, dass Sie so freundlich waren, mich zu treffen. Gleichwohl sind Sie genau das, was ich befürchtet hatte.«
    »Oh?« Ihre direkte Art verblüffte ihn, verstärkte sein Interesse. »In welcher Hinsicht?«
    »In jeder, Sir. Ich habe Mr. Lynd kontaktiert, weil wir einen bestimmten Typ Mann brauchen. Es versteht sich von selbst, dass Sie dem nicht entsprechen.«
    »Könnten Sie mir das vielleicht näher erläutern?«
    »Dazu müsste ich zu weit ausholen«, bemerkte sie.
    »Sei’s drum. Für einen Mann in meiner Position ist es erforderlich, dass das Handeln anderer Menschen für ihn absehbar ist, doch sein eigenes sollte das auf keinen Fall sein. Da Sie behaupten, ich sei der Inbegriff dessen, was Sie nicht wollen, muss ich die Kriterien erfahren, auf denen Ihr Urteil beruht.«
    Miss Martin schien seine Antwort zu überdenken. Jasper nutzte die Zeit, um seine Gedanken zu sammeln, und gelangte zu demselben Schluss, den sein Instinkt ihm schon beim ersten Blick verraten hatte: Eliza Martin war sich seiner im höchsten Grad gewahr. Ohne es zu wissen, reagierte sie genauso instinktiv auf ihn wie er auf sie: Ihre Nasenflügel bebten, ihre Atmung beschleunigte sich, ihr Körper vibrierte vor unterschwelliger Erregung … so wie eine Hirschkuh, die den Jäger witterte.
    »Ja«, sagte sie mit einem leichten Stocken in der Stimme. »Da haben Sie nicht ganz unrecht.«
    »Natürlich. Ich lüge Klienten niemals an.« Er ging auch niemals mit ihnen ins Bett, doch das würde sich ändern.
    »Ich habe Sie bislang noch nicht engagiert«, erinnerte sie ihn, »deshalb bin ich auch keine Klientin.«
    Der Mann mit dem zerzausten weißen Haarschopf mischte sich ein. »Eliza, heirate Montague und beende diese Farce.«
    Sobald er diesen Namen hörte, wusste Jasper, warum er den Auftrag erhalten hatte und wie gering Elizas Chancen standen, ihn abzulehnen.
    »Ich werde mich nicht einschüchtern lassen, Mylord«, entgegnete sie fest.
    »Dann biete Mr. Bond einen Platz an.«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    Ungerührt nahm Jasper in der Bankreihe hinter dem Weißschopf Platz.
    »Mr. Bond …« Resigniert zuckte Miss Martin die Achseln. »Mylord, darf ich Ihnen Mr. Jasper Bond vorstellen? Mr. Bond, das ist mein Onkel, der Earl of Melville.«
    »Lord Melville.« Jasper begrüßte den Mann mit einer leichten Verbeugung. Melville war das Oberhaupt der Tremaines, einer Familie, die für ihre Exzentrik bekannt war. »Ich glaube, Sie werden feststellen, dass ich für jede Aufgabe, die eines Privatdetektivs bedarf, bestens geeignet bin.«
    Miss Martin musterte ihn aus schmalen Augen, was ein stummer Tadel für seinen Versuch, sie zu übergehen, war. »Sir, Sie haben bestimmt viele Fähigkeiten. Doch in diesem Fall …«
    »Sie wollten mir noch erläutern, was gegen mich spricht …«, warf er ein, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Er hatte kein Verlangen, in der Sache fortzufahren, solange es noch ungeklärte Dinge gab.
    »Sie sind überaus beharrlich.« Sie blieb stehen, als bereitete sie sich darauf vor, ihn zu
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