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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M
Autoren: Bernd Ulbrich
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Zufluchtsstätte der Raumfahrer hatten sie etwa einen Kilometer zurückzulegen. Seinen Worten nach hatte Kogol nichts verändert. Sie erwarteten ein Bild des Grauens.
Der Weg war geröllübersät. Schollen verharrten seit Jahrmillionen hochkant in Labilität. Nadelspitz drohten Trümmerstücke. Nach einem Drittel des Weges schuf ein leichtes Gefälle Erleichterung. Zwischen schroffen Felsgebilden fanden sie ihren Pfad, wanden sich zwischen stalagmitenähnlichen Säulenfragmenten hindurch, querten Klüfte und Gräben. Ein Flechtengewächs überwucherte die Steine, je weiter sie vordrangen, und erreichte hier und da die Ausmaße eines Gebüschs. Auch davon hatte Kogol mit keinem Wort berichtet. Sie hatten nicht die Zeit für Reflexionen und Erwägungen.
Während der eine sicherte, suchte der andere nach Überresten des Kampfes, nach Leichnamen oder Ausrüstungsgegenständen. Aber höchstwahrscheinlich überdeckte schon längst der Teppich der eigentümlichen Vegetation diese Zeugnisse, vielleicht auch waren sie verrottet. Jedenfalls fanden sie nichts.
Sie überschritten einen Bach, den Kogol nur als Graben eingezeichnet hatte. Wasser? Ammoniaklösung? Weiter, nur weiter, ehe die Bestien alarmiert waren.
Rechts und links des Weges formten sich Steinblumen am Fuße von ehernen Baumgebilden. Kristallblüten öffneten ihre Kelche. Der Schutzraum mußte sich in unmittelbarer Nähe befinden. Tief atmend genoß Gould eine Sauerstoffdusche. Sein Sehvermögen gewann an Schärfe. Er erkannte den Eingang. Mit einem kurzen Blick teilten sie einander ihre Erregung mit.
Nach Simak trat Gould durch das enge, von Natursäulen flankierte Portal. Ihrer beider Blicke suchten vergeblich die Barrikade aus Steinen.
Kunstvoll war der Boden im Innern mit Platten ausgelegt. In Nischen, die Längsseiten entlang, tanzten in bauchigen Schalen Flämmchen, zwölf Stück an der Zahl, auf jeder Seite sechs. Zwölf Tafeln mit Inschriften hoben sich von den rohen Wänden ab. Sie kannten die Daten und die Namen. Kogol führte sie an als die ersten Opfer des Kampfes. Wer hatte sie mit soviel Sorgfalt bestattet? Wo waren die anderen Toten? Wer hatte sie…?
Eine Stimme in ihrem Rücken ließ sie herumfahren. »Ihr entweiht den Ort der Erinnerung!«
Im Eingang hob sich die Silhouette eines Menschen ab. Er trat näher, als wäre er der Herr dieses Totentempels. Im Zorn waren seine Augen geweitet. In der Hand trug er ein Lämpchen, und trotz des wenigen Lichtes waren seine Pupillen klein wie Nadelköpfe. Nichts weiter bedeckte seinen Körper als eine Art Lendenschurz.
    Ihr Weg führte sie ins Innere der Kaverne. Vom Dämmerlicht wurde die Felswand in ihrem Rücken verschluckt. Das orangefarbene Firmament überspannte die Ebene und sank zu dem von Dünsten verhüllten Horizont. Schwül lagerte die Luft auf ihnen, und bald waren sie in Schweiß gebadet. Allein ein herber, modriger Geruch durchbrach die Schläfrigkeit der Sinne.
    Gould musterte den Rücken ihres Führers. Die locker hängenden Arme pendelten im Rhythmus seiner Schritte. Leichtfüßig folgte er dem Lauf des Baches, dessen Gewässer die Landschaft mit strengem Schnitt zerteilte.
    Das Tal gewährte ihnen Aussicht nach vorn. Entlang des Bachufers zogen spitzzeltartige Gebilde und Menschen ihren Blick auf sich. Die Mienen waren ihnen gleichgültig zugewandt. Man sah an ihnen vorbei. Die Leute gingen offenbar Beschäftigungen nach, die ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Erst als sie sich schon mitten in der Siedlung befanden, erstarb, wie auf ein geheimes Kommando hin, die Bewegung rings umher. Ohne jede andere Äußerung wandten sich die Höhlenmenschen ihnen zu, verharrten, erst reglos, zögernd, und folgten ihnen dann dicht zusammengedrängt, langsam und scheu, gleich einem Rudel Tiere.
    Die Hilflosigkeit, mit der das geschah, beunruhigte Gould. Er hütete sich jedoch, eine Wertung vorzunehmen. Diese Gemeinschaft mochte nicht seltsamer sein als die Bedingungen, unter denen sie entstanden war.
    Vor einem Zelt im Zentrum der Ortschaft, welches sich in nichts von den übrigen unterschied, verhielt der Tempelwächter den Schritt. Er wies sie an zu warten und verschwand in Inneren. Flüsternd und hastig tauschten sie Eindrücke und Empfindungen aus.
    »Himmel, verstehst du das?« fragte Simak. »Nicht das geringste Zeichen von Freude.«
»Ich finde keine Erklärung«, erwiderte Gould. »Ihre Zurückhaltung ist beinahe schon beleidigend. Aber wir wollen nicht zu streng sein.«
Simak zuckte mit den
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