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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M
Autoren: Bernd Ulbrich
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bewahren, ist das nicht wahre menschliche Größe?«
»Laß uns gehen«, sagte Gould müde. »Es ist sinnlos, an Kogol zu zweifeln.« Er meinte das ehrlich, und doch lauerte etwas in ihm auf eine Antwort, die Simak entblößen würde.
Ohne ein weiteres Wort richtete sich sein Gefährte auf und übernahm die Führung.
»Sieh dort«, sagte er nach wenigen Metern, »das Haupt der Medusa.«
Von der Decke quoll ein erstarrter Lavastrom, dessen Wülste Schlangen glichen. Nach unten verwuchsen sie zu einem Gebilde, dem der Zufall ein Dämonenantlitz angefertigt hatte. Gerichtet hing es als Mahnung am Wege. Die Metapher ging auf Kogol zurück, ebenso der Name. Ohne Zweifel, dies mußte der Gang sein, der zum Kamin führte. Schnell schritt Simak vorbei. Gould riß sich von dem Anblick los und folgte ihm.
Während einer längeren Strecke schoben sich die Wände so nah heran, daß die Schultern an ihnen schabten. Doch wie der Kopf einer Kobra blähte sich der Gang schließlich auf. Sie befanden sich im kleinen Mosaiksaal, den sie beide aus Kogols Beschreibung kannten.
Eingebettet in lasierenden Purpur leuchteten schwarze, blaue und goldene Kristallströme. An einer Stelle entstand das Bild einer Landschaft, an einer anderen das eines Fabelwesens. Sie nahmen sich nicht die Zeit zu verweilen.
Der Gang teilte sich. Sie folgten der markierten rechten Abzweigung. Der Boden senkte sich ein wenig, war aber eben. Kurze Zeit später standen sie vor einem scharfen Knick nach links.
Die Stirnwand zog Goulds Blicke auf sich. Gläsern verschmolzen, wirkten ihre Buckel wie in Gallerte gebettete Augen. Blind starrten sie dem Ankömmling entgegen. Simak drängte.
»Ich kann mich nicht erinnern«, äußerte Gould, »diese Wand bei Kogol erwärmt gefunden zu haben.« Seine Hand tastete darüber hin.
»Findest du sie bemerkenswert?«
»Er hat alle Absonderlichkeiten seines Weges beschrieben.«
»Vielleicht war diese nicht nach seinem Geschmack. Die Steine sehen aus wie tote Fischaugen.«
»Sieh richtig hin«, flüsterte Gould. »Sehen sie nicht aus wie die Morgenaugen von Frauen? In ihnen versteckt sich ein Geheimnis.«
»Du bist ein Poet«, höhnte Simak.
»Sieh dir die Struktur an.« Gould trat dicht heran.
In seinem Rücken sagte Simak: »Feinrissig.«
»Geschmolzen«, präzisierte Gould.
Simak stellte sich neben ihn. »Das gesamte Labyrinth ist vulkanischen Ursprungs.«
Gould nickte. »Und dementsprechend langsam erkaltet, spannungslos, ohne Risse also! Komm.« Er zog den Gefährten am Arm mit sich.
»Was hast du vor?«
In der Tiefe des Ganges blieb Gould stehen und drängte den Widerstrebenden hinter sich. »Ich will wissen, was die Wand verbirgt.«
Simak riß sich los. »Bist du des Teufels? Was soll schon dahinter sein? Fels und wieder Fels. Oder ein aktiver vulkanischer Kamin. Laß das sein! Du stichst in ein Wespennest.«
Ein hellvioletter Blitz zuckte aus der Mündung von Goulds Strahler. Blendend glühte die Felswand auf. Leben kehrte in ihre toten Augen zurück. Tränen brachen aus ihnen hervor und zehrten sie auf. Das Loch vergrößerte sich schnell. Die Glut der Lava strahlte in einen ungewissen Raum. Hinter der Wand setzte sich in natürlicher Weise der Stollen fort.
»Wahnsinn«, murmelte Simak.
»Die Gegend ist vulkanisch tot«, sagte Gould. »Das weißt du so gut wie ich.«
Sie drangen ein, nachdem die Ströme des Gesteins sich wieder verfestigt hatten. Zehn Minuten später befanden sie sich vor einem Kessel. Auf seinem Grund glänzte ein schwarzer Spiegel. Träge stiegen Blasen aus ihm auf und verpufften ins Leere.
»Wer«, Simaks ziellose Geste verweilte nicht hinter und nicht vor ihnen, »hat diese Mauer errichtet?«
»Bravo«, erwiderte Gould. »Du bist einen Schritt weit. Weiter, als ich annahm.«
»Kogol«, gab sich Simak selbst die Antwort.
»Die nächste Frage müßte lauten: Warum?«
»Er wollte etwas verbergen«, sagte Simak hilflos.
Gould lachte auf. »Aber ich bitte dich, was?«
Simak hob den Kopf. »Möglicherweise existiert hier eine Gefahr. Er wollte die Menschen davor bewahren.«
Gould war fast sicher, daß er selbst nicht glaubte, was er sagte. Er lächelte skeptisch. »Die fliegenden Polypen, eine Gefahr für die Menschheit? Wir werden sehen.« Er hob einen Stein auf und schleuderte ihn in die Mitte des schwarzen Lochs. Die Stoßwelle verebbte nach wenigen Zentimetern. »Sieht dick aus, aber nicht zäh«, meinte er.
»Eine Gallerte ist das nicht«, ergänzte Simak. »Kogol sprach von einem Kamin und einem
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