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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz
Autoren: Tania Carver
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starke körperliche Präsenz. Als sei sie auf eine Konfrontation vorbereitet. Aber gleichzeitig wirkte sie auch erholt, gesund und frisch. Bereit, den Dienst wieder anzutreten.
    Falls Marina ihren Segen gab.
    Erneut sah Marina auf die Akte. Dann schob sie sich eine dicke Haarsträhne, die ihr ins Gesicht gefallen war, hinters Ohr zurück. Sie war etwas kleiner als Rose Martin, und ihr Kleidungsstil war denkbar anders, doch sie ließ sich von der dominanten Art der anderen Frau nicht einschüchtern. Marina mit ihren langen dunklen Locken und ihren italienischen Gesichtszügen bevorzugte Spitze und Samt, weit schwingende Bauernröcke und transparente Blusen, Cowboystiefel und Tücher. Sie wusste, dass sie oft als eine Art lebende Karikatur ihres Berufsstandes betrachtet wurde. Genau so stellten sich viele bei der Polizei eine Psychologin vor. Aber das kümmerte sie nicht. Manchmal machte sie sich sogar einen Spaß daraus und bediente das Klischee ganz bewusst. Nur weil sie für die Polizei arbeitete, hieß das nicht, dass sie so denken und sich so kleiden musste wie alle anderen. Außerdem sprachen ihre beruflichen Erfolge für sich.
    »Gut«, sagte sie und nickte. »Sie waren viel zu lange weg. Was haben Sie in der Zeit denn so gemacht? Außer sich Dick Van Dyke anzusehen?«
    »Sport.« Rose Martin erhielt den Blickkontakt aufrecht. »Ich habe mich fit gehalten. Trainiert. Alles getan, damit mir nicht langweilig wird. Ich muss unbedingt wieder arbeiten.«
    »Unbedingt.« Marina nickte erneut.
    »Hören Sie«, sagte Rose. Ungeduld schlich sich in ihre Stimme, und ihre bis dahin völlig unbewegten Gesichtszüge drohten zu entgleisen. »Ich habe das … was mir passiert ist, ziemlich schnell verarbeitet. Die Sache ist für mich gegessen. Seit Monaten. Ich warte schon eine Ewigkeit darauf, dass ich wieder arbeiten darf.«
    »Ist Ihnen klar, dass, wenn und falls Sie wieder anfangen zu arbeiten, es vielleicht nicht im aktiven Dienst sein könnte?«
    Auf diese Bemerkung reagierte Rose mit unverhohlener Entrüstung. »Es gibt nichts, was dagegen spräche.«
    »Ich sage es Ihnen nur. Damit Sie sich der Möglichkeit bewusst sind.«
    »Aber ich kann wieder arbeiten. Das spüre ich ganz deutlich. Passen Sie auf. Bevor das alles passiert ist, habe ich die Prüfung zum Inspector gemacht und bestanden. Ich stand kurz vor der Beförderung. Wenn die Leute hier keinen Ärger wollen, dann sollten sie mich ganz schnell zurückholen, und zwar als DI . Das steht mir zu. Ich habe mit DCI Glass darüber gesprochen, und der sieht es genauso.«
    Interessant , dachte Marina. DCI Glass war Ben Fenwicks Nachfolger. Sie fragte sich, ob in jeder Hinsicht.
    Sie nickte wieder, sagte aber nichts. Rose Martins Einstellung war typisch für die der meisten Polizisten, mit denen sie zu tun hatte. Sie waren felsenfest davon überzeugt, alles im Griff zu haben. Irgendwann kamen sie an einen Punkt, ab dem sie die erzwungene Ruhe als Belastung empfanden und es kaum erwarten konnten, wieder loszulegen. Sie waren absolut sicher, den Herausforderungen des Berufs gewachsen zu sein. Und falls es Probleme gäbe, falls sie Flashbacks hätten, dann würden sie – davon waren sie überzeugt – jederzeit aus ihrer alten inneren Stärke schöpfen können.
    Marina arbeitete noch nicht lange bei der Polizei, hatte aber in der kurzen Zeit bereits zu viele Patienten gesehen, die genau das geglaubt hatten – und es hatte jedes Mal in einem Desaster geendet. Ihre innere Stärke hatte sie bei der erstbesten Gelegenheit im Stich gelassen. Sie waren am Druck zerbrochen und hatten danach wieder bei null anfangen müssen.
    Sie beugte sich in ihrem Sessel vor. »Hören Sie, Rose. Ich will nicht negativ klingen, aber es ist leicht zu glauben, Sie könnten wieder zur Arbeit gehen, als wäre nichts geschehen, und einfach da weitermachen, wo Sie aufgehört haben.«
    Auch Rose lehnte sich nach vorn. »Ich kenne mich. Ich weiß, wie es in mir aussieht. Ich weiß, wann es mir schlecht und wann es mir gut geht. Und jetzt geht es mir gut.«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Ach nein?« Rose lachte unwirsch auf und nickte. »Das hat mit Phil Brennan zu tun, oder? Ich weiß genau, was er über mich denkt. Wenn irgendjemand was dagegen hat, dass ich wiederkomme, dann ja wohl er.«
    Marina seufzte ungehalten und machte sich nicht die Mühe, es zu verbergen. »Ich bin Psychologin, Rose, und meinem Eid verpflichtet. Wollen Sie wirklich, dass auch noch ›paranoide Wahnvorstellungen‹ in Ihrer
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