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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz
Autoren: Tania Carver
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würde niemanden in sein Revier lassen. Er bestand darauf, alles allein zu machen. Phil und Marina waren jeder mit einem Glas Wein ins Wohnzimmer verbannt worden, wo sie Eileen Gesellschaft leisteten, die mit Josephina auf deren Decke spielte.
    Es war ein fast schon klischeehaft anmutendes sonntäg­liches Familienidyll.
    Aber das Bild trog. Es zeigte nicht, wie schwierig die letzten Wochen gewesen waren.
    Für sie alle.
    Als Phil im Krankenhausbett das Bewusstsein wieder­erlangt hatte, war sein Blick zuallererst auf Marina gefallen, die an seiner Seite gewacht hatte.
    »Hey«, hatte er mühsam herausgebracht.
    »Selber hey«, hatte sie geantwortet.
    Es hatte ihm gutgetan, sie zu sehen, als wäre schon allein ihr Anblick alles wert gewesen. Danach war er gleich wieder weggedämmert.
    Wenige Tage später war es ihm schon deutlich bessergegangen. Mickey hatte ihn besucht und ihm berichtet, was passiert war. Don und Eileen ebenso. Und Marina. Immer wieder Marina.
    Dann hatte man ihn entlassen, mit ruhig gestelltem Arm und der Ermahnung, sich zu schonen. Etwas anderes konnte er sowieso nicht tun. Doch auch wenn sein Körper noch nicht wieder voll funktionstüchtig war, sein Kopf war es sehr wohl. Es gab einiges, worüber sie reden mussten.
    »Wie geht es Finn?«, hatte er Marina am Abend nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus gefragt. Er hatte im Wohnzimmer im Sessel gesessen, die Decemberists gehört und Wein getrunken. Hatte versucht, sich zu entspannen. Es war ihm nicht besonders gut gelungen.
    Marina hatte von ihrem Buch aufgesehen. »Ihm geht es gut. Er ist wieder mit seiner Mutter zusammen. Wir haben ihnen einen Therapeuten besorgt. Allen Betroffenen. Sie haben es bitter nötig.«
    Phil hatte an seinem Wein genippt.
    »Glaubst du, du hast das Richtige getan?«
    »Was meinst du?«
    Phil hatte ihr angesehen, dass sie genau wusste, was er meinte. Die Frage hatte ihm unter den Nägeln gebrannt, seit er im Krankenhaus aufgewacht war. Sie hatte mit ihr rechnen müssen.
    »Da unten in der Höhle. Du hast Finn dazu ermutigt, Glass zu töten.«
    »Er hätte es ohnehin getan. Oder es wenigstens versucht. Was wäre die Alternative gewesen?«
    »Er ist ein zutiefst gestörtes Kind, Marina. Was er mit deiner Billigung getan hat, könnte ihn noch mehr geschädigt haben. Vielleicht unwiderruflich.«
    »So einfach war die Sache nicht, Phil, das weißt du genauso gut wie ich. Was hätte ich denn tun sollen? Ihm sagen, dass ich weiß, was er vorhat, ihm aber dringend davon abrate? Und damit zulassen, dass Glass uns alle drei umbringt?«
    »Aber …«
    »Nein, Phil. Da gab es kein Aber. Er hatte bereits mit angesehen, wie du den Gärtner getötet hast. Dasselbe hat er mit Glass gemacht. In so einer Situation funktioniert unsere Mittelschichtsmoral nicht.«
    Phil hatte geschwiegen.
    »Finn wird darüber hinwegkommen«, hatte Marina gesagt und sich über die Armlehne des Sofas zu ihm gebeugt. »Wir werden dafür sorgen, dass er die bestmögliche Therapie bekommt. Wir geben ihm alle Zeit, die er braucht, um zu heilen. Er hat das Schlimmste durchgemacht, was man im Leben durchmachen kann, und er hat es überlebt. Mit professioneller Hilfe wird er das hoffentlich verarbeiten und irgendwann wieder ein normales Leben führen können.«
    »Aber was ist mit all den Dingen, die ihm in diesem Käfig angetan wurden? Und im Garten?«
    »Er wird sich daran erinnern wie an einen bösen Traum. Hoffentlich. So wie es bei dir war.«
    Phil hatte noch einen Schluck Wein getrunken.
    »Wie es bei mir war«, hatte er gemurmelt und erneut das Glas an die Lippen gesetzt. »Hoffentlich.«
    »In zehn Minuten gibt’s Abendessen!«, rief Don und steckte den Kopf zur Tür herein.
    Sie signalisierten, dass sie ihn gehört hatten.
    Marina sah zu Phil hinüber.
    Allmählich war er wieder fast wie früher. Sie war zuversichtlich. Es dauerte, aber bald würde sie ihren alten Phil wiederhaben.
    Es war schwierig gewesen. Etwas anderes hatte sie auch gar nicht erwartet. Obwohl sie mit ihm fühlte, konnte sie sich nicht vorstellen, was er durchgemacht hatte. Aber er war auf dem Weg, seine Vergangenheit zu akzeptieren. Nach vorn zu schauen. Sein Leben wieder in die Hand zu nehmen.
    Und sie war so froh, immer noch ein Teil dieses Lebens sein zu dürfen.
    Dann warf sie einen Blick auf Josephina, die mit Eileen spielte. Die Kleine lachte gerade über einen Scherz, den Eileen gemacht hatte. Ihr Blick wanderte weiter zu Phil, sie wollte sehen, wie er darauf reagierte. Er
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