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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen
Autoren: Greg Bear
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Allerdings verlor der Charakter, den er verkörperte – ein versoffener Aristokrat, der im Grunde ein anständiger Kerl war, aber das Chaos auf sich zog – für das Publikum noch vor der Weltwirtschaftskrise jeden Reiz. Trenton zog sich von der Schauspielerei zurück, als es sich für ihn noch irgendwie auszahlte. Genauer gesagt, mit einem »Riesen« auszahlte, denn für tausend Dollar konnte er 1937 alle Rechte an seinen Filmen veräußern.
    Während der Wirtschaftskrise investierte Lordy in die Tonausrüstung von Filmen und machte viel Geld damit. Mitte der Dreißigerjahre ließ er das »Flaubert-Haus« errichten und bald darauf das benachbarte Anwesen, das manche zeitgenössischen Architekturkritiker als Jesus weinte bezeichneten. Trentons Freunde nannten das Gebäude »die Mission«. Sie bestand aus einem riesigen, kreisrunden Eingangsbereich, der von einer Kuppel aus maurischen Kacheln überdacht wurde, hohen Deckengewölben, Schlafzimmern mit schmiedeeisernem Inventar und dunkel gebeizten Eichenmöbeln, einem düsteren Speisesaal, in dem hundert Personen Platz fanden, und einem Wohnzimmer, das allein schon mehr als vierzig auf vierzig Meter maß. Ein Großteil von Trentons Vermögen ging dabei drauf.
    Verfolgt von der Vorstellung, die Japaner könnten in Kalifornien einfallen, ließ Lordy Anfang der Vierzigerjahre das Flaubert-Haus und die Mission durch eine vierhundert Meter lange, unterirdische Bahnstrecke miteinander verbinden, deren Tunnel gleichzeitig als Schutzbunker dienen konnte. Rechts und links der Gleise hängte er an den glatt verputzten Ziegelsteinmauern europäische Ölgemälde des neunzehnten Jahrhunderts auf. Zur selben Zeit ließ er sich mit Emily Gaumont ein, einer problembeladenen jungen Künstlerin und Gelegenheitsschauspielerin. Nach ihrer Heirat 1944 verbrachte sie ihr letztes Lebensjahr damit, wie besessen lebensgroße Porträts von Lordy und vielen ihrer Freunde zu malen – als Clowns.
    1945 brach während einer Party ein Feuer im Tunnel aus, das die Bahnlinie in Schutt und Asche legte. Emily und zehn Gäste kamen dabei ums Leben. Nach allem, was an die Öffentlichkeit drang, verbrannten vier Personen, darunter auch Emily, bis zur Unkenntlichkeit.
    Ein Jahr später starb Trenton als einsamer und von Gerichtsverfahren gebrochener Mann an akuter Alkoholvergiftung.
    Der nächste Hausherr, ein Handelskettenbesitzer Ende sechzig namens Greel, legte sich eine Geliebte zu, die angeblich französisch-kreolischer Abstammung war. Ihr zuliebe gab er eine Million Dollar dafür aus, die Mission im Stil »louisianischer Gotik« zu vollenden, wobei er alte und neue Architektur so miteinander vermischte, dass es den Augen wehtat und die Bezeichnung Jesus weinte auf Dauer an der Mission hängen blieb.
    Greel starb 1949, er beging Selbstmord.
    1950 erwarb Frances Saint Claire das Anwesen, eine Hitchcock-Blondine. Als sie von den Filmstudios auf die schwarze Liste gesetzt wurde, weil man ihr Sympathien für die Linke nachsagte, fand ihre Karriere ein jähes Ende. Sie heiratete Mortimer Sykes, einen cleveren Burschen, der früher gleichgeschlechtliche Neigungen gezeigt hatte, sie jedoch abgöttisch liebte und ihr Geld klug investierte, was eigentlich gar nicht zu ihm passte. 1955 ließen sie das dritte und letzte Herrenhaus von Salammbo errichten, das schicke, vom Bauhaus inspirierte Four Cliffs. 1957, nur sechs Monate bevor Saint Claire an Brustkrebs starb, fing ein Hain mit Eukalyptusbäumen Feuer. Die Flammen griffen auch auf zwei der drei Herrenhäuser über. Four Cliffs brannte zu Schutt und Asche nieder, während Jesus weinte größtenteils unversehrt blieb; nur der Speisesaal wurde völlig zerstört. Eine polizeiliche Ermittlung deutete auf Brandstiftung hin, doch Freunde in der Lokalpolitik sorgten dafür, dass die Sache vertuscht und nicht weiterverfolgt wurde – die Tragödie sei so schon schlimm genug.
    1958 bot Sykes das Anwesen zum Verkauf an und zog nach Las Vegas. Als gebrochener, hoch verschuldeter Mann wollte er sich Geld leihen und geriet dabei an die falschen Leute. Zwei Jahre später fanden Wanderer seine Leiche in der Wüste verscharrt.
    Fünf Jahre lang stand Salammbo leer. 1963 wurde Joseph Adrian Benoliel der neue Herr über das Anwesen. Lebenslang ein Einzelgänger, der erst sehr spät heiratete, machte er sein Vermögen damit, dass er sexuell freizügige Streifen vom Strandleben produzierte und eine Kette von Immobilienbüros leitete.
    Zwischen 1970 und 1983 finanzierte er
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