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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst
Autoren: Dean R. Koontz
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demütigenden Handlung stabilisierte ihr inneres Gleichgewicht. Die kleine blaue Tüte mit dem warmen Inhalt verankerte sie in der Wirklichkeit. Sie empfand das bizarre Erlebnis zwar immer noch als beunruhigend und unbegreiflich, aber es löste nicht mehr diese unerklärliche Panik in ihr aus.

2. Kapitel
    Skeet hockte, in selbstmörderische Halluzinationen versunken, hoch oben auf dem Dach, ein Schattenriss vor dem düsteren Himmel. Drei fette Krähen kreisten sechs Meter über ihm, als witterten sie baldiges Aas.
    Unter ihm in der Einfahrt stand Motherwell, der die Fäuste in die Hüften gestemmt hatte. Obwohl er der Straße den Rücken zukehrte, konnte man seine Wut auch von dort aus allein an seiner Körperhaltung erkennen. Er war in mörderischer Stimmung.
    Dusty parkte seinen Lieferwagen am Straßenrand hinter einem Wagen, an dessen Seiten das Emblem der Wach- und Schließgesellschaft prangte, die mit dem Schutz der hiesigen exklusiven Wohngegend beauftragt war. Der hoch gewachsene, uniformierte Mann, der neben dem Wagen stand, schaffte es, gleichzeitig respekteinflößend und fehl am Platz zu wirken.
    Das dreigeschossige Haus, auf dessen Dach Skeet Caulfield seinen Gedanken über die Sterblichkeit des Menschen nachhing, war eine tausend Quadratmeter große, vier Millionen Dollar teure Geschmacklosigkeit. Ein Architekt, der entweder über eine miserable Ausbildung oder einen außergewöhnlichen Sinn für Humor verfügte, hatte mehrere mediterrane Baustile – spanische Moderne, toskanischen Klassizismus, griechischen Neoklassizismus – zu einem unübertroffen kitschigen Ensemble vereint. Ein schier endloses Sammelsurium steiler Ziegeldächer, überragt von einer Vielzahl von unzulänglich als kuppelgekrönte Glockentürmchen getarnten Schornsteinen, bildete eine wild verschachtelte Dachlandschaft, auf deren höchstem First, neben dem hässlichsten aller Glockenturmschornsteine, Skeet jetzt zusammengekauert saß.
    Wahrscheinlich, weil er nicht wusste, was in dieser Situation von ihm erwartet wurde, er aber das Gefühl hatte, etwas tun zu müssen, fragte der Wachmann: »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Ich bin der Chef der Malerfirma«, erklärte Dusty.
    Das sonnengegerbte Gesicht des Wachmanns, der entweder Dusty nicht über den Weg traute oder von Natur aus mit zusammengekniffenen Augen in die Welt blickte, war so zerknittert, als hätte sich ein Origami-Künstler daran versucht. »Der Chef der Malerfirma, ja?«, sagte er skeptisch.
    Dusty trug weiße Baumwollhosen, einen weißen Pullover, eine weiße Jeansjacke und eine weiße Schirmmütze mit dem Aufdruck R HODES M ALERARBEITEN , was in seinen Augen eigentlich hätte genügen müssen, seiner Behauptung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Er erwog kurz, den misstrauischen Wachmann zu fragen, ob die Einbrecher diese Gegend gewöhnlich als Maler, Installateure und Schornsteinfeger verkleidet unsicher machten, sagte dann aber nur: »Ich bin Dustin Rhodes«, und deutete dabei auf den Schriftzug auf seiner Kappe. »Der Mann da oben gehört zu meiner Kolonne.«
    »Kolonne?« Der Wachmann musterte ihn mit mürrischer Miene. »So nennen Sie das also?«
    Es war schwer zu sagen, ob diese Bemerkung sarkastisch gemeint war oder ob der Mann einfach nur die Kunst der Konversation nicht beherrschte.
    »Die meisten Maler arbeiten in Kolonnen«, sagte Dusty. Er hatte den Blick nach oben gerichtet, wo Skeet jetzt winkte. »Früher haben wir uns als Einsatzkommando bezeichnet, aber das hat einige Hausbesitzer verschreckt, klang wohl zu aggressiv, darum nennen wir uns jetzt Kolonne wie alle anderen auch.«
    »Aha«, sagte der Wachmann. Er kniff die Augen noch schmaler zusammen. Vielleicht war er sich nicht im Klaren darüber, was Dusty eigentlich sagen wollte, vielleicht überlegte er aber auch nur, ob er ihm eine aufs Maul hauen sollte.
    »Machen Sie sich keine Gedanken, wir holen Skeet da runter«, sagte Dusty zuvorkommend.
    »Wen?«
    »Den Springer«, klärte Dusty ihn auf, während er sich Richtung Motherwell in Bewegung setzte.
    »Soll ich nicht lieber die Feuerwehr rufen?«, fragte der Wachmann, der ihm dicht auf den Fersen folgte.
    »Nein. Er wird sich nicht abfackeln, bevor er springt.«
    »Das hier ist eine ordentliche Wohngegend.«
    »Ordentlich? Mann, sie ist optimal.«
    »Ein Selbstmord wird die Bewohner ziemlich in Aufruhr bringen.«
    »Wir werden die Reste von der Straße kratzen, ordentlich in Tüten verpacken und das Blut wegspülen, und kein Mensch wird überhaupt
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