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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst
Autoren: Dean R. Koontz
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konnte wie in einem drittklassigen Horrorstreifen. Der Spiegel konnte ihr nichts Furchterregenderes zeigen als das seitenverkehrte Bild des kleinen Toilettenraums – und ihrer eigenen Person.
    Die Logik verfehlte ihre Wirkung. In einem düsteren Winkel ihres Bewusstseins, in den sie noch niemals vorgedrungen war, öffnete sich eine bizarre Welt abergläubischer Ahnungen.
    In ihr wuchs die Überzeugung, dass ein unsichtbares Wesen in dem Spiegel Konturen annahm und Macht gewann, weil sie sich so verzweifelt bemühte, den Schrecken mit Vernunft zu bekämpfen, und sie schloss ganz fest die Augen, um auch nicht den allerflüchtigsten Schatten dieses feindseligen Etwas erhaschen zu müssen. Jedes Kind weiß, dass die nächtlichen Unholde unter dem Bett umso greifbarer und bedrohlicher werden, je verzweifelter man ihre Existenz leugnet, und dass es das Beste ist, nicht an das mordgierige Ungeheuer zu denken, das mit fauligem Atem und vom Blut unschuldiger Kinder triefenden Lippen zwischen den Staubflusen unter den Sprungfedern lauert. Denk überhaupt nicht daran , an das Biest mit den gelb funkelnden Augen und dem zähnestarrenden schwarzen Maul. Denk nicht daran , dann wird es sich in Luft auflösen, und du wirst endlich in seligen Schlaf versinken und am Morgen behaglich in deine warme Bettdecke eingekuschelt aufwachen statt im Bauch eines finsteren Ungeheuers.
    Als Valet sie in diesem Moment an den Beinen streifte, konnte sie nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken.
    Sie öffnete die Augen. Der Hund sah sie mit diesem zugleich flehenden und besorgten Blick an, den jeder Golden Retriever geradezu meisterlich beherrscht.
    Obwohl sie glaubte, ohne den Halt des Waschbeckens, an dem sie lehnte, das Gleichgewicht zu verlieren, ließ sie es vorsichtig mit einer Hand los und tastete zitternd nach dem Hund.
    Als wäre das Tier ein Blitzableiter, fühlte sich Martie durch die Berührung geerdet, wie knisternde Elektrizität floss ein Teil des lähmenden Entsetzens von ihr ab. Äußerste Panik ebbte zu einem gewöhnlichen Angstgefühl ab. Valet war zwar eine Seele von einem Hund, aber er war auch ziemlich schreckhaft. Wenn ihn hier in diesem kleinen Raum nichts geängstigt hatte, drohte auch keine Gefahr. Er leckte ihr die Hand.
    Endlich hob Martie, aus der Gegenwart des Hundes Kraft schöpfend, den Kopf. Langsam. Von bösen Ahnungen geschüttelt.
    Der Spiegel zeigte ihr keine grinsende Fratze, keine Welt des Schreckens, keinen Geist: nur ihr eigenes fahles Gesicht und dahinter den vertrauten Toilettenraum.
    Während sie in ihre blauen Augen im Spiegel sah, begann ihr Herz wieder wie wild zu hämmern, denn auf eine elementare Weise war sie sich selbst fremd geworden. Diese zittrige Frau, die vor dem eigenen Schatten erschrak, die bei dem Gedanken, in einen Spiegel blicken zu müssen, in Panik geriet … das war nicht Martine Rhodes, Strahlebobs Tochter, die ihr Leben stets fest im Griff hatte und es mit Schwung und Zuversicht zu meistern pflegte.
    »Was geschieht mit mir?«, fragte sie die Frau im Spiegel, aber das Spiegelbild hatte keine Antwort parat, und auch der Hund konnte ihr keine Erklärung geben.
    In der Küche klingelte das Telefon. Sie ging hinüber, um den Hörer abzunehmen.
    Valet folgte ihr. Mit fragendem Blick sah er sie an, wedelte erst mit dem Schwanz und hörte dann damit auf.
    »Tut mir Leid, Sie müssen sich wohl verwählt haben«, sagte Martie nach einer Weile, dann legte sie auf. Als sie die angespannte Haltung des Hundes bemerkte, fragte sie ihn: »Was ist los mit dir?«
    Mit leicht gesträubtem Nackenfell sah Valet sie unverwandt an.
    »Das war nicht die Pudeldame von nebenan, großes Ehrenwort.«
    Auch als sie die Toilette zum zweiten Mal betrat, gefiel ihr das, was sie im Spiegel sah, nicht, aber sie wusste jetzt, was zu tun war.

4. Kapitel
    Unter den leise raschelnden Wedeln einer windzerzausten Phönixpalme hindurch lief Dusty an der Schmalseite des Hauses entlang, wo er auf Foster »Fig« Newton, den dritten Mann der Kolonne, stieß.
    An Figs Gürtel hing, mit einer Klemme befestigt, ein Transistorradio, sein allgegenwärtiger elektronischer Tropf. Über ein Paar Kopfhörer sickerte ihm ein unaufhörlicher Redefluss in die Ohren.
    Er interessierte sich nicht für politische Themen oder aktuelle Ratgeber. Fig wusste zu jeder Tages- und Nachtstunde, welches Programm er einstellen musste, um eine Sendung über UFO-Sichtungen, Entführungen durch Außerirdische, telefonische Botschaften aus dem Reich
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