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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt
Autoren: Stefan Wolf
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gut verstanden. Wir sind Freunde. Ich wurde
eine Woche eher entlassen als er. Also herzliche Grüße. Für Oswald öffnet sich
morgen das Tor in die Freiheit. Spätnachmittags wird er hier sein. Er sagte,
ich könnte bei Ihnen wohnen.“
    „In der Bodenkammer steht eine Couch.
Wenn Ihnen das genügt. Aber Sie rühren meinen Cognac nicht an! Ist das klar?“
    „Selbstverständlich, Frau Flinkfinger.
Darf ich Sie Alma nennen?“
    „Fangen Sie nicht an, mit mir zu
flirten. Aus dem Alter bin ich raus.“
    Ganz bestimmt sogar, dachte er, und
zwar seit 50 Jahren. Aber sein Grinsen triefte. Beinahe hätte er ihr in die
Runzelwange gekniffen.
    Alma führte ihn zwei Treppen hinauf.
    Die Bodenkammer roch nach Staub und
trockenem, von der Sonne gedörrtem Holz. Wer hier einzog, mußte ein Freund
fetter Spinnen sein. Ihre Netze verschleierten das straßenseitige Fenster, sie
hingen dekorativ in den Ecken.
    „Sehr hübsch.“
    Er stellte seinen Koffer auf die
zerschlissene Couch, klappte den Deckel hoch und wühlte eine Flasche Cognac
unter Hemden und Leibwäsche hervor.
    „Die habe ich in Wien auf dem Bahnhof
gekauft. Was Erstklassiges. Trinken wir einen Schluck, Alma?“
    Sie kicherte. „Oswald scheint die
richtigen Freunde zu haben. Kommen Sie runter. In mein Boudoir (Damenzimmer) .“
    Grobalsky erwartete eine schlimme Bude.
Und das war’s auch, nämlich ein schwülstiger kleiner Raum mit blutroten
Stofftapeten aus den 30er Jahren, Plüschmöbeln mit Beinen wie ein gelenkkranker
Dackel und zwei Dutzend Porzellan-Masken, die an den Wänden hingen. Leere Augen
starrten in den Raum. Gespenstisch.
    Alma brachte Cognacgläser.
    „Sie wissen sicherlich, Heini, daß mein
Mann — er ruhe in Frieden — der berühmteste Einbrecher Österreichs war. Er hat
jeden Geldschrank geknackt. Poldi, der Schränker-König. Das war sein Spitzname.
212 Einbrüche konnte man ihm nachweisen, als er gefaßt wurde. Pech! Denn er war
wirklich vorsichtig. Übrigens — es waren über 500. Weiß ich genau, denn den
500. Bruch haben wir ganz groß gefeiert. Im Hotel ,Kaiser Franz Josef’. Gibt’s
heute nicht mehr. Poldi hatte eine Blaskapelle bestellt, weil ich Märsche mag.
Und wir tranken den ganzen Abend Champagner.“
    „Prost, Alma! Auf Poldi.“
    Er leerte sein Glas.
    Alma griff schon nach der Flasche und
schenkte sich nach, diesmal einen Doppelten.
    „Oswald hat nicht Poldis Format“,
klagte sie. „Er bemüht sich. Ein gewisses Talent kann ich ihm nicht absprechen.
Aber ich glaube nicht, daß er wie Poldi in die Kriminalgeschichte eingeht.“
    Grobalsky nickte. Red nur weiter!
dachte er. Du hast ja keine Ahnung, worauf ich hinaus will.
    „Ich finde, Alma, Ihr Sohn ist o. k.“
    „Ihm konnten sie 14 Einbrüche anlasten.
Deshalb hat er fünf Jahre gekriegt. Die Bullen fanden seine Fingerabdrücke.
Dieser Dummkopf! Wozu gibt es Handschuhe?“
    „Ich halte Oswald für schlau.“
    „Wieso?“
    „Ich sagte schon: wir sind befreundet.
Wir wollen auch in Zukunft zusammenarbeiten. Trotzdem läßt er sich nicht in die
Karten gucken. Sie wissen, was ich meine?“
    „Nein.“
    Grobalsky lächelte. „Er wurde erwischt.
14 Einbrüche, für die nur er in Frage kam. Aber den wichtigsten, den
entscheidenden — den konnte man ihm nicht nachweisen. Und er leugnet bis heute.“
    „Sie meinen den Bruch bei dieser
Pauline Mehrfelder — draußen im Mittelriß-Tal.“
    „Richtig.“
    Ihr Runzelgesicht verschloß sich. „Ich
glaube nicht, daß Oswald das war. Er hatte allerdings kein Alibi für jene Nacht
im Juli, und die Umstände deuteten auf ihn, auf Oswald. Aber mir, seiner
Mutter, hätte er’s gesagt. Immerhin wurden damals bei der Mehrfelder Schmuck
für über sieben Millionen Schilling ( 1 Million DM) erbeutet. Ich
kenne meinen Sohn. Das hätte er mir an vertraut.“
    „Wenn Sie das sagen, Alma“, Grobalsky
trank den vierten Cognac und spürte Hitze im Magen, „ist es für mich wahr.“
    Er unterdrückte ein Grinsen. Er als
einziger wußte genau, daß Oswald Flinkfinger alle verkohlt hatte: die Bullen,
die Richter, den Staatsanwalt, sogar seinen eigenen Verteidiger. Auch ihn,
Grobalsky. Und selbst die Alte hier war ahnungslos.
    Aber Oswald hatte im Schlaf geredet. So
manche Nacht in der Zelle der Strafanstalt hatte Grobalsky gelauscht.
    Offenbar beschäftigten sich Oswalds
Gedanken mit nichts anderem als der Beute: mit Schmuck, Geschmeide, Brillanten.
Wo war das Zeug versteckt?
    Darüber hatte Oswald in seinen wilden
Träumen nichts
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