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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt
Autoren: Stefan Wolf
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Rache koste ich aus. Er soll leiden wie ich. Da gibt’s keine Gnade.
    Er beobachtete den Wirt.
    Der Dicke blätterte in einer Zeitung.
Selbst dabei schnaufte er.
    Grobalskys Bierglas war noch zu einem
Drittel gefüllt.
    Langsam kippte er das Glas um. Bier
floß über das Tischtuch und tropfte auf den Boden.
    „O weh!“ sagte er laut. „Da habe ich
doch aus Versehen das Glas umgestoßen. Aber ich wollte sowieso gehen. Zahlen!“
    Der Wirt watschelte heran, sah die
Überschwemmung und stülpte die Unterlippe vor.
    Grobalsky ließ sich das Wechselgeld
herausgeben, nahm seinen Koffer und trat hinaus in den lauen Abend. Die Straßen
waren still. Wer nicht bei Tisch saß, der hatte den Blick auf den Bildschirm
gerichtet.
    Grobalsky kannte den Ort und die
Umgebung genau. Er hatte hier gelebt. Aber das war lange her. Acht Jahre
Gefängnis lagen hinter ihm. Vorige Woche hatte man ihn entlassen. Und er kam
her, um sich an Holmann zu rächen. An Sigismund Holmann, den er haßte seit
damals.
    Bisher lief alles gut — sogar unerwartet
gut. Er hatte Glück. Er spürte es. Daß er vorhin im Zug Mair-Chateaufort
entdeckte, war ein besonderer Glücksfall gewesen. Dieser Ratte verdankte er,
Grobalsky, daß man ihn erwischt und überführt hatte. Und vor Gericht war der
Käsehändler als Zeuge aufgetreten. Na, wunderbar! Dafür lag er jetzt mit
Kopfschmerzen im Krankenhaus.
    Grobalsky grinste und griff in die
Hosentasche.
    Das kühle Metall der Pistole fühlte
sich gut an. Mit ihr hatte er zugeschlagen.
    „Damit sind wir quitt“, murmelte er und
ging die Kaiserstraße entlang.
    Dabei kam er am Pressehaus vorbei, dem
Gebäude der ,Bad-Fäßliftl-Nachrichten’.
    Eine junge Frau trat aus dem Portal,
blieb stehen und suchte irgendwas in ihrer gelbledernen Handtasche.
    Nanu, dachte er. Die habe ich doch
vorhin im Zug gesehen, die Hübsche. Da hatte sie einen Blindenstock in der Hand
und benahm sich auch wie eine Blinde.
    Er blieb stehen.
    Susi Welmhoff blickte auf. Sie bemerkte
das Interesse und runzelte die Stirn. Was wollte der?
    Grobalsky grinste, und der Ausdruck von
wildem Haß auf seinem Gesicht schien zu verfliegen.
    „Entschuldigung, Fräulein. Aber habe
ich recht oder ist es so: Vorhin im Alpen-Express sind Sie als Blinde
aufgetreten.“
    Susi gestattete sich nur die Andeutung
eines Lächelns, denn der Typ war ihr unsympathisch.
    „Stimmt. Ich bin Reporterin. Die Rolle
war beruflich bedingt.“
    „Ah, verstehe. Sie haben Ihre
Mitmenschen getestet.“
    „In etwa.“
    Sie nickte ihm zu, wandte sich ab und
ging die Straße hinunter, bevor er das Gespräch ausdehnen konnte.
    Sieh einer an! Grobalsky wechselte den
Koffer in die andere Hand. Nicht mal mehr den Blinden kann man trauen.
    Er bog ab in die Schrebergasse, die so
alt war wie der Ort — nämlich 600 Jahre — , folgte ihr bis zum Ende und sah
nach den Hausnummern.
    Es war das letzte Gebäude, ein
Eckhäuschen, heruntergekommen, gelb verputzt. Eine einzige Stufe trennte
Gehsteig und Eingangstür. Grobalsky drückte auf die Klingel.
    Im Obergeschoß wurde nach einer Weile
ein Fenster geöffnet. Eine alte Frau beugte sich heraus. Eisgraues Haar
umrahmte das Runzelgesicht.
    „Einen schönen guten Abend, Frau
Flinkfinger“, rief Grobalsky. „Ich bringe schöne Grüße von Ihrem Sohn Oswald.
Und…“, er senkte die Stimme. „Aber das sage ich Ihnen lieber unter vier Augen.
Darf ich eintreten?“
    Es sah gefährlich aus, wie sie sich
jetzt aus dem Fenster schob. Bis zur Hüfte. Auch der Hals wurde länger. Die
Runzelmumie starrte senkrecht auf Grobalsky herab.
    „Sie wollen Oswald kennen?“ keifte sie.
„Sie sind doch bestimmt ein Bulle.“
    „Aber nein! Im Gegenteil. Ich…“, wieder
dämpfte er die Stimme, „komme von dort, wo er im Moment noch ist.“
    Ihre Augen glitzerten. „Wie viele
Warzen hat Oswald am Hals?“
    „Sechs. Zwei rechts, vier links. Eine
ist besonders groß.“ Alma verschwand aus dem Fenster und schloß es.
    Grobalsky atmete auf. Er hatte damit
gerechnet, daß die Alte rausfiel und er sie auffangen mußte.
    Hinter der Haustür scharrten zwei
Riegel. Der Schlüssel knirschte. Dann stand Oswalds Mutter auf der Schwelle,
ganz in Schwarz gehüllt wie ein böser Geist.
    „Name?“

    „Ich bin Heinrich Grobalsky.“
    „Kommen Sie rein. Ich werde sie Heini
nennen. Ich mag lange Namen nicht. Oswald hat Sie in einem seiner Briefe
erwähnt. Wie lange wart ihr zusammen?“
    „Die letzten zwei Jahre haben wir in
derselben Zelle gesessen. Und uns
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