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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt
Autoren: Stefan Wolf
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deinen eigenen Worten“,
sagte Tim, den plötzlich eine Ahnung beschlich, „mit schlichten, verständlichen
Worten.“
    „So einfach ist das nicht. Ihr müßt euch
meine Seelenlage vor Augen halten.“
    „Welche Seelenlage?“
    Klößchen seufzte wie ein Abgrund, der
auf hineinfallende Opfer wartet.
    „Also, der Sigismund Holmann ist zwar
der älteste Bruder von einer Stiefschwester meines Vaters, hat aber seit
Jünglingsbeinen mit unserer Familie überhaupt nichts am Hut. Seit 50 Jahren
gibt es keinen Briefwechsel, kein Telefonat, keinen Besuch. Oheim Sigismund ist
zu keiner Beerdigung gekommen, auch zu keiner Hochzeit. Er lebt in Österreich,
wohin wir ja jetzt fahren — sind wir eigentlich schon über die Grenze gekommen?
Ja, natürlich — , lebt also in Österreich in der Nähe von Bad Fäßliftl, dem
weltbekannten Heilbad, lebt aber total in der Savanne (Steppe), oder wie
man diese Einöde nennt. Null Verbindung. Papa dachte, der Sigismund sei längst
verblichen. Nun kommen plötzlich Brief und Anruf. Der Alte ist Mitte Siebzig,
verwitwet, hat keine Kinder, aber eine Menge Kohle und Besitz. Sigi fragt
meinen Papa, ob der Kinder habe. Ja, natürlich, den Willi. Mich also. Gut, sagt
Sigi, den setze ich als Universums-Erben... nein, als Universal-Erben ein — also
als den, der alles kriegt. Aber vorher, sagt Sigi, will ich ihn sehen. Nur wenn
er mir gefällt, kriegt er den Nachlaß. Sonst fällt alles an den Vater Staat.
Tja, und dann sagt der Sigi noch, wenn ich komme, soll ich ihn Oheim nennen — nach
guter alter Art — , so und nicht anders, sonst haut er mir gleich eine rein.“
    „Bis jetzt“, sagte Tim, „hast du uns
nichts Neues erzählt, sondern alles zum zweitenmal. Wir warten auf deine tja – ja
– hm - Seelenlage.“
    Klößchen nickte ergeben wie ein
Verurteilter, der den Gang zum Galgen antritt.
    „Da es sich um mein Erbe handelt, hat
mein Papa mir alles erzählt. Hat aber gleich gesagt, daß wir Millionen genug
haben und ich Sigis Kohle nicht brauche. Trotzdem überläßt er mir die
Entscheidung. Zwar bin ich noch minderjährig, doch ich soll den freien Willen
rauslassen. Außerdem hat Papa mich gewarnt. Bei diesem Grobian als Muster-Neffe
aufzukreuzen, sei bestimmt nicht einfch. Papa hat sich nämlich lange genug mit
Oheim Sigi unterhalten, um festzustellen: Der ist genau noch wie früher.“
    Klößchen entdeckte etwas Eiswasser in
dem Becher und trank es rasch aus.
    „Kneifen, sagte ich mir, kommt nicht in
Frage. Hättet ihr ja auch nicht getan. Mir geht es allerdings nicht um das
Erbe, sondern darum, wie ich als Neffe eingeschätzt werde. Will ich wissen.
Andererseits habe ich ganz gewaltigen Schiß.“
    „Und?“ fragte Tim.
    „Ganz allein hätte ich mich doch nicht
getraut, diese Erbschafts-Reise anzutreten. Aber mit euch... Ihr seid ja
schließlich meine Freunde. Deshalb...“ Er stockte.
    „Deshalb...“, drängte Tim.
    „...habe ich einfach behauptet, Oheim
Sigismund hätte auch euch eingeladen. Aber von euch weiß er gar nichts. Ich
glaube, er kann Kinder nicht leiden. Noch weniger als andere Menschen.“
    Tim setzte sein Mineralwasser-Glas auf
den Tisch, daß es knallte.
    Gaby verdrehte die Augen nach oben und
pustete gegen ihren Goldpony.
    „Es darf nicht wahr sein“, sagte Karl. „Wir
glauben, wir werden im fernen Ausland erwartet - glauben, man werde uns
willkommen heißen. Statt dessen wird dieser Wüterich uns wegjagen, und heute
nacht haben wir nicht mal ein Dach über dem Kopf.“
    „Das auf keinen Fall“, rief Klößchen, „falls
Oheim Sigi euch den Zutritt verwehrt, wohnt ihr auf meine Kosten im nächstbesten
Hotel. Ich habe nicht nur massenhaft Schoko mitgenommen, sondern auch dicke
Knete in österreichischer Währung. Da kann gar nichts passieren.“
    „Wir würden auch im Freien kampieren“,
sagte Tim. „Das ist nicht das Problem. Uns empört deine Verlogenheit. Du hast
uns reingelegt.“
    „Aber nur ein bißchen“, schuldbewußt
und kleinlaut senkte Klößchen den Blick, „weil ich dachte, ihr kämt sonst nicht
mit.“
    „Meinst du im Ernst, wir würden dich im
Stich lassen?“

    „Grundsätzlich nicht. Aber bei so einer
Oper...“ Fassungslos schüttelte Tim den Kopf. „Du scheinst eine seltsame
Vorstellung von unserer Freundschaft zu haben. Die hat sich doch schon lange
genug bewährt. Einer für alle, alle für einen. Wenn du uns brauchst bei Oheim
Sigi, sind wir dabei. Aber diese Winkelzüge sind kränkend. Schäm dich!“
    „Mache
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