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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
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grase solange die Gegend ab. Gibt’s doch gar nicht, dass hier niemand ist.« Stiller folgte dem Hauptweg bis zur nächsten Kreuzung. Dort blieb er an einem Schaukasten stehen und überflog die Aushänge. »Die zehn Gebote (und Verbote) des Kleingärtners« war ein Blatt überschrieben. Ein Ausriss aus der Schrebergarten-Verbandszeitung »Die Harke« informierte über die biologisch korrekte Schneckenbekämpfung. Als besonders wirkungsvoll galt die Nematode Phasmarhabditis hermaphrodita. Der winzige Fadenwurm dringe in den Organismus ein und sondere ein Bakterium ab, das die Schnecke erkranken und sterben lasse. Am freundlichsten erschien Stiller die Bierfalle, wenngleich die berauschten Schnecken anschließend in der Biotonne entsorgt werden sollten.
    Eine Liste verriet die Telefonnummern der drei Kleingartenobleute – zwei Männer und eine Frau. Stiller zog den Stenoblock aus der Tasche und notierte Namen und Nummern. Sicher hatten sie das Opfer gut gekannt, sie gehörten immerhin zum Vorstand der Kleingartenanlage, die Strunke geleitet hatte.
    Daneben klebte ein Flugblatt in Form einer Annonce: »Betreuer gesucht«. Eine Parzelle war zu pachten, befristet auf ein Jahr. Eine Stecknadel mit grünem Kopf markierte ihre Lage im Plan der Laubenkolonie. Die Parzelle lag nur wenige Grundstücke vom Garten des Ermordeten entfernt auf der anderen Seite des Vereinsheims Richtung Haupteingang. Sie mussten gerade daran vorbeigekommen sein.
    »Darf ich fragen, was Sie da treiben?«, rief eine Stimme direkt hinter ihm.
    Stiller zuckte zusammen. Der Weg war gekiest, doch er hatte niemanden kommen hören. Jemand musste sich ihm auf der Grasnarbe entlang des Wegs genähert haben. Er wandte sich um und musterte den Mann. »Wenn Sie mir verraten, mit wem ich es zu tun habe …«
    »Sorry.« Der Unbekannte reichte Stiller ein Kärtchen, das er schon in der Hand hielt. »Mein Name ist Dorn. Ich bin der Vorsitzende des Kleingärtner-Stadtverbands.«
    Stiller war sich sicher, dass er ihm nie zuvor begegnet war. Trotzdem erinnerte Dorn ihn an jemanden. Der Mann war anderthalb Köpfe kleiner als er, aber deutlich breiter. Sein Gesicht war von einer weißen Mähne eingerahmt: Haupthaar über der hohen Stirn, buschige Koteletten, stattlicher Kinnbart. Er trug eine Brille, die er weit nach vorne auf die Nasenspitze geschoben hatte. Gekleidet war er wie ein Wanderer aus dem Bilderbuch: rot kariertes Hemd, krachlederne Kniebundhose; die Füße steckten in klobigen Wanderstiefeln.
    Er fixierte Stiller erwartungsvoll. »Und Sie? Presse?«
    Intuitiv schüttelte Stiller den Kopf.
    »Ach so.« Dorn schwankte zwischen Aufatmen und Enttäuschung. »Ich dachte schon, Sie wären auch so einer, der sich nur für den Vorfall interessiert.«
    »Vorfall?« Stiller hob die Brauen. »Nein, ich, ähm, interessiere mich für …«, er tippte mit dem Finger auf das Flugblatt mit der Annonce, »… dafür.«
    »Ach so«, wiederholte Dorn. »Wer sind Sie denn?«
    Die Frage traf Stiller unvorbereitet, obwohl er sie hätte erwarten müssen. »Ich bin – ich heiße …«, wieder folgte er einer Eingebung, »… Döberlin. Äh, Heiner.« Er tat, als suche er in seiner Tasche. »Leider habe ich keine Karte dabei. Trotzdem: Heiner Döberlin«, bekräftigte er mit fester Stimme.
    »Döberlin.« Dorn runzelte die Stirn. »Das ist kein Name aus dieser Gegend!«
    »Ich bin auch erst zugezogen.« Während er sprach, versuchte Stiller, sich in Gedanken eilig eine Legende zusammenzubasteln.
    »Gut«, sagte Dorn. »Das ist Voraussetzung. Sie müssen in der Stadt wohnen, wenn Sie einen Garten pachten wollen. Familie?«
    »Drei Kinder«, antwortete Stiller wahrheitsgemäß.
    »Wie alt?«
    »Na ja«, Stiller ließ die Hand unbestimmt in Hüfthöhe kreisen. »Ungefähr so.«
    »Noch besser.« Dorn klopfte mit den Fingerknöcheln auf einen vergilbten Aushang im Schaukasten, einen Auszug aus der städtischen Kleingartenverordnung. »Familien werden bei der Vergabe der Gartenplätze bevorzugt. Ist ‘ne Sozialklausel. Sie haben schon einen Hausgarten?«
    »Lieber Herr Dorn!« Stiller bemühte sich um einen verbindlichen Ton, während er der ehrlichen Antwort auswich. »Dann würde ich mich doch kaum für dieses Angebot interessieren.«
    »Das wäre auch gegen die Statuten.« Dorn rückte die Brille zurecht, die ihm von der Nasenspitze zu rutschen drohte. »Trotzdem: Sie können sich gar nicht ausmalen, was wir schon alles erlebt haben. Superreiche, die sich am Godelsberg eine
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