Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
Vom Netzwerk:
Theorie.«
    Dorn blieb stehen. »Wie meinen Sie das?«
    »Wenn es ein Einbrecher war, der nicht damit gerechnet hat, dass sich hier jemand aufhält, kann er nicht aus dem Kreis der Leute stammen, die davon wussten.« Wenn es ein Einbrecher war, wiederholte Stiller in Gedanken.
    »So hab ich das noch gar nicht gesehen.« Dorn stiefelte weiter.
    Stiller folgte ihm. »Außerdem muss er in der Anlage doch ziemlich beliebt gewesen sein. Er ist schließlich zum Vorsitzenden gewählt worden.«
    »Das muss nichts heißen. Es gibt nicht viele, die das Amt haben wollen. Die meisten scheuen die Arbeit und den Ärger. Sie werden das miterleben, es muss ja ein Nachfolger her.«
    »Ärger?«
    »Der Vorsitzende ist dafür verantwortlich, dass die Statuten eingehalten werden. Sonst muss er einschreiten.«
    »Hatte Strunke denn Ärger?«
    »Was sollen die Fragen?« Dorn kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Sie sind doch nicht etwa von der Polizei?«
    »Gott bewahre«, lachte Stiller.
    Dorn blieb misstrauisch. »Was arbeiten Sie denn? Das haben Sie mir noch gar nicht verraten.«
    »Ich, ähm …«, Stiller hatte seine Legende schon wieder vergessen, »bin – na –«, er lachte verlegen, »ich sag’s nicht gerne, wissen Sie, Psychologe. Spezialisiert auf Kreativitätstraining.«
    »Liebe Güte«, sagte Dorn. »Ein Seelenklempner. Verstehen Sie überhaupt etwas von Gartenarbeit?«
    »Ich stamme von einem Bauernhof.« Stiller beschleunigte den Schritt. Sie kamen am Vereinsheim vorbei. Von Kleinschnitz war nichts zu sehen. Das TV -Team stand mit der Kamera am Zaun zu Strunkes Garten, drehte dem Weg den Rücken zu.
    »Fernsehen.« Dorn seufzte. »Diese Art von Reklame hat uns Kleingärtnern noch gefehlt.«
    »Hm.« Stiller schaute vorsichtshalber in die andere Richtung, tat, als studiere er die Gärten rechts des Wegs. Wie von seinem Blick aufgescheucht, stob eine Handvoll Spatzen aus einem Beet in die Luft und flog tschilpend davon.
    »Von einem Bauernhof, sagen Sie?« Dorn wandte sich wieder Stiller zu. »Aus dem Spessart?«
    »Odenwald. Aus Breitendiel. Kennen Sie das? Liegt bei Miltenberg.«
    Dorn schüttelte den Kopf. Wenige Schritte weiter blieb er stehen und wies auf eine Parzelle. »Das ist Ihr Garten. Nummer 47.«
    Das Grundstück glich der Parzelle des Ermordeten wie ein Spiegelbild – aber eines, das auf gespenstische Weise die Kehrseite zeigt. Wie eine wüste Insel lag es im Meer der gepflegten Streber-Schrebergärten. Unkraut wucherte aus den Fugen der Betonplatten, die den Weg vom Türchen zur Laube bedeckten, und auf den Beeten, die unbestellt zur Rechten des Wegs lagen. Maulwurfshügel häuften sich im wild gewachsenen Rasen zur Linken. Der unvermeidliche Kirschbaum vor der Terrasse ließ die Äste hängen, als trauere er um seinen abwesenden Gärtner. Die Johannisbeerbüsche an den Zäunen zu den Nachbarparzellen streckten dürre Zweige von sich. Von der Laube blätterte der Putz, neben der Tür lehnte eine rostige Schubkarre an der Wand.
    Unter dem Kirschbaum und auf der ungepflegten Wiese davor standen mehrere Grüppchen blasser Gartenzwerge beisammen. Sie erschienen ebenfalls wie ein Zerrbild der lustigen Gesellen, die sich in den anderen Gärten tummelten. Nicht nur wegen der verblichenen Farbe. Sie schwangen auch keine Harken oder ähnliche Gartengeräte, sondern verkörperten eher den Müßiggang, schmauchten Pfeife, hatten die Hände hinter dem Kopf verschränkt oder in die Hosentaschen gesteckt. Das Lächeln ihrer bärtigen oder pausbäckigen Gesichter wirkte wenig freundlich, fast bösartig. Zudem gafften sie alle in dieselbe Richtung – wie eine seltsame Versammlung, die ein besonderes Schauspiel betrachtet. Unwillkürlich folgte Stiller ihrem Blick: Er war auf die Vogelscheuche im Nachbargarten gerichtet. Grinsend starrten die Zwerge hinüber zu der Strohpuppe, wie Schaulustige, die auf eine Hinrichtung warten.
    »Sehr komisch«, sagte Stiller.
    Außer den Zwergen gab es in diesem Garten nur noch einen Schmuck: Mitten in der Wiese stak ein dünner Fahnenmast, an dem eine ausgebleichte Deutschlandfahne hing.
    »Wie lange, sagten Sie, ist der Pächter schon weg?«
    »Drei Monate.« Dorn wich Stillers Blick aus. »Aber das holen Sie schon wieder auf. Sie sind ja vom Land. Wenn ein Bauernsohn keinen grünen Daumen hat, wer dann?«
    Jedenfalls kein Journalist, dachte Stiller.

3
    Kleinschnitz wartete bereits hinter dem Steuer des Buicks.
    Stiller stieg ein und sah ihn erschrocken an. »Was ist denn mit dir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher