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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne
Autoren: Edmund Cooper
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dieser Zeit gelang es den tüchtigen Ärzten, ihm die Sehkraft des linken Auges zu retten und ihm die Kontrolle über die Muskulatur in seiner linken Seite zurückzugeben. Zur gleichen Zeit hatten die Psychiater alle Hände voll damit zu tun, ihn davon zu überzeugen, daß das Leben noch immer lebenswert sein könnte. Schließlich gelang es ihnen aber doch, ihn in einen Zustand zu versetzen, in dem er vor Gericht auftreten konnte.
    Die Polizei hatte sich für den ‚Unfall’ erheblich interessiert, da zur fraglichen Zeit keine sonstigen Autos auf der Brücke gewesen waren. Sie maßen die Reifenspuren aus und verhörten die Leute, die auf der Party in Kingston gewesen waren – darunter einen gewissen Walter Heffert von Heffert, McCall & Co. –, und sie nahmen auch Aussagen von Greville selbst zu Protokoll. Aus dieser ganzen Aktivität ergaben sich zwei Anklagepunkte. Totschlag und verkehrsgefährdendes Fahren. Das Urteil belief sich auf insgesamt drei Jahre Gefängnis, was er als eine monströse Ungerechtigkeit empfand. Er hätte die Todesstrafe vorgezogen.
    Erst in der ersten Oktoberwoche, ungefähr zu der Zeit, als Greville in ein vornehmeres englisches Gefängnis für vornehmere englische Gesetzesbrecher verlegt wurde, nahm der lange und durchweg herrliche Sommer sein Ende. Obwohl es nachts genug geregnet hatte und auch tagsüber der eine oder andere Schauer niedergegangen war, so daß es für eine gesunde Ernte reichte, hatte die Sonne im Grunde zehn Wochen lang praktisch ununterbrochen geschienen.
    Darauf folgte nun ein Monat lang Regen – und es folgten Überschwemmungen.
    Was diesen Sommer betraf, so begannen sich einige merkwürdige Fakten herauszukristallisieren. Die Anzahl der Sonnentage in diesem Zeitabschnitt war ungefähr dreimal so hoch wie der bisherige Jahresdurchschnitt. Außerdem war die Anzahl der Selbstmorde fünfmal so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Das war spektakulär genug, um in den meisten Zeitungen als Schlagzeile zu erscheinen. Auch die Entdeckung neuer Sonnenflecken, die eine neue Art von Strahlung abgaben, wurde auf der Titelseite erwähnt. Die Tatsache, daß diese Strahlung über Eigenschaften verfügte, die der Wissenschaft bisher unbekannt gewesen waren, und daß die zusätzlichen Selbstmordfälle Symptome an den Tag legten, wie sie der Psychiatrie bisher unbekannt gewesen waren, boten Anlaß für zahllose Überlegungen und Spekulationen.
    Der Name, den man den Wellen (oder waren es Partikel?) gab, die die Sonnenflecken ausstrahlten, war „Omega-Strahlung“ – hauptsächlich deshalb, weil die Wissenschaftler vor einem Rätsel standen und weil jede sinnvolle Untersuchung dazu bestimmt zu sein schien, ein Langzeitprojekt zu werden. Auch eine Bezeichnung für die fünffache Steigerung der Fälle von Selbstzerstörung wurde schließlich gefunden (von einem Journalisten, der ein paar Wochen später selbst ins Wasser ging) und lautete „Schönwetterselbstmord“.
    In den Boulevardzeitungen wurde zuerst der Verdacht geäußert, daß es zwischen der Omega-Strahlung und dem, was nun jeder Schönwetterselbstmord nannte, eine ‚statistische Beziehung’ gäbe. Die Idee löste unter Wissenschaftlern, religiösen Führern, Psychologen und schlichten Spinnern eine Kettenreaktion aus.
    Ein sogenannter Wissenschaftler ‚lieh’ sich von einem Schuldirektor, der es zwar gut meinte, aber geistig etwas zurückgeblieben zu sein schien und den rechten Respekt für sogenannte wissenschaftliche Methoden hatte, zwei Gruppen von Kindern aus. Der Wissenschaftler sperrte eine Gruppe von Kindern für einen langen Zeitraum in einem Keller ein, während die anderen dazu gezwungen wurden, den größten Teil ihrer Zeit im Freien zu verbringen und sich der Sonne auszusetzen. Was niemanden überraschen kann, war das Resultat. Nach einem Tag oder zwei Tagen dieser Behandlung war die Gruppe, die an der frischen Luft gewesen war, in der Lage, schneller und genauer zu addieren als die Keller-Gruppe. Daraus schloß er, daß a) die Omega-Strahlung intellektuelle Aktivität stimulierte und daher nervöse Erschöpfung hervorrufen könne und b) jeder, der nervöser Erschöpfung und damit dem Selbstmord aus dem Weg gehen wolle, gut beraten sei, in einem Keller zu leben. Da er selbst zu seiner Überzeugung stand, wählte er eine unterirdische Existenz – und beging zwei Monate später Selbstmord.
    Die Psychologen und Psychiater waren nicht so schnell bereit, die Steigerung der Selbstmordrate mit der
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