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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne
Autoren: Edmund Cooper
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Monate damit zu, seine Absichten und Motive zu analysieren, wurde jedoch nicht schlau daraus. Wollte er sich auf der Chelsea-Brücke wirklich umbringen? Oder Pauline? Oder sie beide? Oder war es nur eine melodramatische Geste gewesen, die außer Kontrolle geraten war?
    Wenn er die Katze nicht überfahren hätte … Wenn Pauline ihm nicht ins Steuer gegriffen hätte … Wenn … Wenn … Wenn …
    Es gab keine befriedigende Lösung – nicht einmal Selbstmord. Das nämlich war nun nur noch eine Art Luxus. Er wollte bestraft werden, er wollte verletzt werden, er wollte die seltsame Angst wieder spüren, die ihm sagte, daß er am Leben war …
    Während seines gesamten Gefängnisaufenthalts begingen sieben Gefängniswärter und vierundfünfzig Gefangene Selbstmord. Als Buße für seine Existenz und als Belohnung dafür, daß er sich nicht umbrachte, ernannte sich Greville selbst zum obersten Totengräber. Während des gesamten und relativ trockenen Winters von 1986 verstärkte sich die Omega-Strahlung und ebenso die Anzahl der Selbstmorde. Und die Pessimisten sagten bereits einen warmen und trockenen Sommer voraus.
    Die Wissenschaft und der menschliche Erfindungsgeist produzierten eine bemerkenswerte Anzahl von Lösungen – keine davon befriedigend und manche gefährlich. Eines der vielen ‚ruhigen Stimulierungsmittel’, die aus den Labors der Chemiekonzerne in hysterischer Eile ausgestoßen wurden (diese spezielle Droge wurde als Positiver Pep auf den Markt geworfen), war für mehr als hunderttausend Fehl- oder Frühgeburten verantwortlich und trug so in erheblichem Maß zu einer Steigerung der Selbstmordrate bei. Eine andere war zwar effektiver, was die Verhinderung von Selbstmorden betraf, aber eine ihrer Nebenwirkungen war die Erzeugung von Größenwahn. Eine dritte war ebenso wirksam in ihrem Ziel, die Menschen davon abzuhalten, sich selbst das Leben zu nehmen: Bei ihr war das Problem, daß sie zur Sucht führte und die Abhängigkeit von ihr das Herz zu stark belastete.
    Tausende von Gruppen zur Erhaltung ‚geistiger Hygiene’ wurden gebildet, eine Organisation namens ‚Anonyme Todessehnsucht’ war plötzlich im Gespräch, Dutzende von verschiedenen Sekten, Kulten und esoterischen Gesellschaften sprossen wie Pilze aus dem Boden, und aus der religiösen Wiederbelebung wurde eine bedeutende Industrie.
    Trotz alledem hatten sich Ende 1986 (wieder war es ein unglaublich „schöner“ Sommer gewesen) allein in Großbritannien mehr als hundertzwanzigtausend Menschen das Leben genommen. Dieser proportionale Zuwachs war in fast allen Ländern gleich groß.
    In der Zwischenzeit verstärkte sich die Omega-Strahlung – die am schwersten zu greifende und rätselhafteste Form von Strahlenenergie, die je entdeckt worden war – ständig weiter. Und während diejenigen, die nach ihrer Beschaffenheit forschten, weiter vor einem Rätsel standen, fanden jene, die sich mit ihrer Wirkung beschäftigten, interessantere Antworten.
    Man entdeckte, daß die Entwicklung von omegasicheren Schirmen möglich war. Man benötigte lediglich eine sechzehn Fuß dicke Bleiwand oder eine entsprechend dickere Wand aus weniger dichtem Material. Aber selbst das nützte nichts, wenn die Menschen, die durch sie geschützt werden sollten, nicht dauernd in ihrem Schutz blieben. Jeder, der eine Neigung zu dem hatte, was nun SW-Selbstmord oder einfach SWS abgekürzt wurde, brauchte nur ein paar Minuten lang der Strahlung ausgesetzt zu werden, um die Reaktion auszulösen. Die einzige Variante war der Zeitfaktor. Es konnte Monate dauern, bis sich der SWS-Impuls zeigte, oder nur Stunden.
    Eine weitere interessante Entdeckung war, daß alle Kinder vor dem SWS bis zur Pubertät sicher waren und daß das Risiko eines Selbstmords von der Pubertät bis zum Alter von ungefähr fünfundzwanzig Jahren (dem angenommenen Höhepunkt des Wachstums und der Adoleszenz) nur ungefähr halb so hoch wie bei der restlichen Bevölkerung war.
    Am merkwürdigsten aber war die sich herauskristallisierende Klassifizierung der SWS-Typen. In den ersten beiden Jahren ergab die Information, die von mehr als hundertfünfzigtausend Opfern zusammengetragen worden war, bezüglich der berufsspezifischen Aufteilung, daß die empfänglichsten Typen Bankangestellte, Finanzbeamte, Wissenschaftler, Vollzugsbeamte, Manager aller Art, Ladenbesitzer, Büroangestellte, Professoren (aber nicht Lehrer!), Piloten, Kapitäne, Busfahrer, Lastwagenfahrer, Mathematiker, Berufsspieler und Buchmacher,
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