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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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und hast nicht das Recht, das Mittwochabendbrot zum zweitenmal zu essen!«
      »Der Vorrat gehört ebensogut dir wie mir«, antwortete er, während er seelenruhig die festgebackenen Ränder des Rühreis mit dem Messer anhob. »Ich bin du, und du bist ich, somit ist es einerlei…«
      Die Bratpfanne fiel ihm aus der Hand, ich selbst flog gegen die Wand – wir waren erneut in einen Strudel geraten. Das Raumschiff bebte wie im Fieber, und ich dachte nur an eins: Wie ich in den Gang, wo der Skaphander hing, kommen und den Raumanzug anziehen könnte. Somit werde ich, sagte ich mir, sobald der Donnerstag anbricht, als der vom Donnerstag bereits den Skaphander anhaben, und wenn ich ihn auch nicht für einen Augenblick aus ziehe, wie ich mir das fest vorgenommen habe, dann werde ich ihn auch am Freitag tragen. Wenn ich also sowohl am Donnerstag als auch am Freitag einen Raumanzug anhaben werde, wird es am Ende doch möglich sein, die unselige Steuerung zu reparieren, sobald wir in einer Jetztzeit einander begegnen.

    Die zunehmende Schwerkraft hatte meine Sinne etwas getrübt, aber als ich die Lider aufschlug, bemerkte ich, daß ich rechts von dem vom Donnerstag lag und nicht zu seiner Linken, wie noch vor einer Viertelstunde. Es war leichter, den Plan mit dem Raumanzug auszudenken, als ihn in die Tat umzusetzen, denn ich konnte mich wegen der wachsenden Gravitation kaum bewegen. Sobald diese nur ein wenig nachließ, rückte ich Millimeter um Millimeter zur Tür vor, die zum Gang führte. Ich bemerkte bald dabei, daß auch der vom Donnerstag Zoll um Zoll zur Tür kroch. Schließlich, etwa nach einer Stunde, denn der Strudel war ziemlich ausgedehnt, begegneten wir einander, am Boden kriechend, vor der Türschwelle. Ich überlegte, daß ich mich eigentlich unnötig anstrengte, die Klinke zu erreichen – mochte der vom Donnerstag die Tür öffnen. Gleichzeitig begann ich mich verschiedener Dinge zu erinnern, aus denen hervorging, daß ich nunmehr der vom Donnerstag war und nicht er.
      »Von welchem Tag bist du?« fragte ich, um mich zu vergewissern. Mein Kinn war an den Fußboden gepreßt, und ich schaute ihm aus der Nähe in die Augen. Mühsam öffnete er den Mund.
      »Der vom Donnerstag«, stöhnte er. Das war eigenartig. Sollte ich trotz allem noch der vom Mittwoch sein? Ich rief mir die letzten Erlebnisse in Erinnerung und hielt das für ausgeschlossen. Er war wahrscheinlich schon vom Freitag. Denn wenn er mir um einen Tag voraus war, mußte das wohl so bleiben. Ich wartete, daß er die Tür öffnete, aber er schien von mir das gleiche zu erwarten. Die Gravitation wurde merklich schwächer. Ich stand auf und lief in den Gang. Als ich den Skaphander ergriff, stellte er mir ein Bein und riß ihn mir aus der Hand. Ich schlug der Länge nach hin.
      »Ach, du Schuft, du Schwein!« rief ich. »Sich selbst hintergehen, welch eine Schurkerei!«
      Er aber zog, ohne mich zu beachten, schweigend den Raumanzug an. Das schien mir denn doch der Gipfel der Unverschämtheit zu sein. Plötzlich warf ihn eine merkwürdige Kraft aus dem Skaphander, in dem offenbar schon jemand saß. Im ersten Augenblick verlor ich die Fassung, denn ich wußte nicht mehr, wer welcher war.
      »He, du vom Mittwoch!« rief der im Skaphander, »laß den vom Donnerstag nicht los, hilf mir!«
      Der vom Donnerstag versuchte tatsächlich, den Raumanzug von ihm herunterzureißen.
      »Gib den Skaphander her!« brüllte der vom Donnerstag, während er mit jenem rang.
      »Laß mich los! Was willst du? Begreifst du denn nicht, daß ich ihn haben muß und nicht du!?« rief jener.
      »Da bin ich aber neugierig. Weshalb denn?«
      »Deshalb, du Esel, weil ich es näher zum Sonnabend habe als du, und am Sonnabend sind dann schon zwei von uns in Raumanzügen!«
      »Aber das ist ja Unfug«, warf ich ein. »Bestenfalls wirst du am Sonnabend allein im Skaphander stecken, wie der letzte Tölpel, und wirst nichts tun können. Gib den Skaphander mir. Wenn ich ihn jetzt anziehe, dann wirst du ihn am Freitag als der vom Freitag haben und auch ich am Sonnabend als der vom Sonnabend. Wir werden also zu zweit Skaphander tragen… Du vom Donnerstag, hilf mir!«
      »Hör auf«, protestierte der vom Freitag, von dem ich mit Gewalt den Raumanzug herunterzog. »Erstens hast du keinen mehr, den du mit ›der vom Donnerstag‹ anreden könntest, weil jetzt Mitternacht vorüber ist und du nun selbst der vom Donnerstag bist, und zweitens wird es besser
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