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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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Es war Mittwoch abend, und er stammte vom Freitag, somit würde der Gravitationsstrudel, in den das Schiff geraten sollte, die Zeit von Freitag bis Mittwoch krümmen, aber was weiter innerhalb dieses Strudels geschehen würde, konnte ich mir nicht vorstellen. Ganz besonders war ich gespannt, wo der Donnerstag geblieben war. Inzwischen ließ der vom Freitag mich noch immer nicht ins Bad, in dem er ganz offensichtlich bummelte, obwohl ich hartnäckig an die Tür klopfte.
      »Hör endlich auf zu gurgeln!« donnerte ich schließlich voller Ungeduld. »Mann, jeder Augenblick ist wertvoll – komm sofort heraus, wir wollen die Steuerung reparieren!«
      »Dazu brauchst du mich nicht«, erwiderte er phlegmatisch hinter der Tür. »Irgendwo muß der vom Donnerstag sein, geh mit ihm…«
      »Was soll das nun wieder? Einer vom Donnerstag? Das ist doch unmöglich…«
      »Das muß ich wohl besser wissen, wenn ich schon im Freitag bin und somit sowohl deinen Mittwoch als auch seinen Donnerstag erlebt habe…«
      Mit leichtem Schwindelgefühl sprang ich von der Tür zurück, denn ich vernahm tatsächlich Lärm in der Kajüte: Dort stand ein Mann und zog unter dem Bett ein Futteral mit Werkzeug hervor.
      »Bist du der vom Donnerstag!?« rief ich, während ich in die Kajüte stürmte.
      »Freilich«, erwiderte er. »Natürlich… hilf mir mal…«
      »Wird es uns jetzt gelingen, die Steuerung auszubessern?« fragte ich, als wir gemeinsam die schwere Tasche unterm Bett hervorzogen.
      »Das weiß ich nicht, am Donnerstag war sie noch nicht repariert, frag den vom Freitag…«
      In der Tat, das war mir nicht in den Sinn gekommen! Rasch rannte ich zur Badtür.
      »Hallo! Du vom Freitag! Ist die Steuerung schon repariert?«
    »Am Freitag nicht«, entgegnete er.
    »Warum nicht?«
      »Darum«, erwiderte er und machte gleichzeitig die Tür auf. Sein Kopf war mit einem Handtuch umwunden, an die Stirn drückte er flach eine Rasierklinge, um zu verhindern, daß die Beule, groß wie ein Ei, noch mehr wuchs. Der vom Donnerstag, der sich unterdessen mit dem Werkzeug genähert hatte, stand neben mir und betrachtete seelenruhig und aufmerksam den Verletzten, der mit der freien Hand die Flasche mit Goulardwasser aufs Regal stellte. Das Glucksen hatte ich für Gurgeln gehalten.
      »Was hat dich denn so zugerichtet?« fragte ich mitfühlend.
      »Nicht was, sondern wer«, erwiderte er. »Das war der vom Sonn
    tag.«
      »Einer vom Sonntag? Aber wieso… Das kann nicht sein!« rief ich.
      »Das ist eine längere Geschichte…«
      »Einerlei! Eilen wir jetzt nach oben, vielleicht schaffen wir es!« sagte der vom Donnerstag zu mir.
      »Aber wir geraten doch gleich in einen Strudel«, antwortete ich. »Eine Erschütterung wird uns ins Vakuum schleudern, und wir kommen um…«
      »Red keine Dummheiten«, erwiderte der vom Donnerstag. »Wenn der vom Freitag lebt, dann kann uns nichts passieren. Heute ist erst Donnerstag.«
      »Es ist Mittwoch«, protestierte ich.
      »Mag sein, das ist gleich, auf jeden Fall werde ich am Freitag le
    ben, und du genauso.«
      »Aber wir sind doch nur scheinbar zwei Personen«, bemerkte ich. »Ich bin wirklich nur einer, lediglich von verschiedenen Wochentagen…«
      »Schon gut, schon gut, öffne die Klappe.«
      Hier erwies es sich jedoch, daß wir nur einen Raumanzug für das Vakuum hatten. Wir konnten also nicht beide gleichzeitig aussteigen, damit mußte der Plan, die Steuerung zu reparieren, fallengelassen werden.
      »Hol euch der Kuckuck!« rief ich erbost und warf die Tasche mit dem Werkzeug hin. »Man hätte den Skaphander anziehen und ihn nicht wieder ablegen sollen. Ich hatte nicht daran gedacht, aber du, als der vom Donnerstag, hättest daran denken müssen!«
      »Den Raumanzug hat mir der vom Freitag weggenommen«, erwiderte er.
      »Wann? Und warum?«
      »Ach, das ist nicht der Rede wert.« Er zuckte mit den Schultern, drehte sich um und ging zur Kajüte. Der vom Freitag war nicht darin, ich warf einen Blick ins Bad, aber es war ebenfalls leer.
      »Wo ist der vom Freitag?« fragte ich erstaunt, als ich zurückkehrte. Der vom Donnerstag zerschlug systematisch Eier mit dem Messer und ließ ihren Inhalt ins brutzelnde Fett fallen.
      »Sicherlich irgendwo in der Nähe vom Sonnabend«, erwiderte er gelassen, während er rasch das Rührei mischte.
      »O nein«, protestierte ich. »Du hast doch schon am Mittwoch dein Teil gegessen
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