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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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entschlossen, ihnen etwas Gutes zu tun und sie nicht durch meine Anteilnahme zu verwirren.«
    Reyna bemerkte, daß sie nicht allzusehr überrascht war. Verras Augen hatten selten aufgeleuchtet, wenn sie von ihren Kindern gesprochen hatte. Sie hatten sich eher verdunkelt. Und ihr Status als Mitglied der Arnimipartei ... Beabsichtigte sie etwa, ihn ebenfalls aufzugeben? Oft genug hatte sie ihre Unzufriedenheit ja ausgedrückt. »Dein Kommandant ...«
    »Wenn ich heute nachmittag meine Uniform zurückgebe, wird mein Kommandant mir erzählen, daß ich wohl eine Närrin aus mir machen kann, aber niemals eine Brakrathi.«
    Sie hatte nicht vor, ihre Leute im Stich zu lassen. »Und du wirst ihm sagen ...«
    »Ich werde ihm sagen, daß ich die unglückselige Arbeit fortführen werde, die meine Eltern begonnen haben. Daß ich mich in einen Menschen verwandeln werde. Natürlich wird er es nicht verstehen. Aber er hat die Gastfreundschaft von Khiras Palast einige Jahre lang in Anspruch genommen. Er wird es nicht wagen, die für solche Fälle vorgeschriebenen disziplinarischen Maßnahmen zu ergreifen.«
    Reyna nickte; sie beschloß, nicht einmal wissen zu wollen, worin diese Maßnahmen bestehen mochten. Vielleicht besagten sie, daß Verra Tag für Tag an einer schweigsamen Eßtafel speisen mußte, umgeben von mürrischen Kollegen. Vielleicht besagten sie, daß sie die nüchterne Uniform für weitere dreißig Jahre tragen mußte. Vielleicht besagten sie, daß sie nie auf ein Land und seine Menschen hören durfte, sondern immer nur auf die Instrumente.
    Ohne die Hilfe der Arnimis und ihre Ausrüstung hätten Reyna und Juaren Birnam Rauth nie gefunden. Aber sie hätte niemals vermutet, daß Verra für sie mehr als neugierige Toleranz empfunden hatte. »Erinnere mich daran, Verra, und ich werde Tinte für dein Fäßchen bereiten«, sagte Reyna. »Ich habe ein Rezept; mein eigenes Rezept.«
    »Dann mach es«, sagte Verra und klatschte in die Hände.
    Dann konnten sie es nicht länger vor sich herschieben. Sie mußten mit ihrer Mutter sprechen. Sie mußten sie mit ihren Vorhaben vertraut machen. Reyna warf Juaren einen raschen Blick zu. Er hatte das Kind abgesetzt. Er bedachte Reyna mit einem angespannten Blick. »Meine Mutter ...«, sagte sie.
    Aber die Aufmerksamkeit ihrer Mutter galt nicht ihr, sondern dem Kind. Es war im Begriff, Khira auf den Schoß zu klettern, zupfte an ihrem Gewand und berührte mit seinen
    bloßen Ärmchen den unberührbaren Stein des Thrones. Und Khira – statt es darauf aufmerksam zu machen, daß es neben
    dem Thron stehenbleiben mußte und unter gar keinen Umständen seine Handabdrücke darauf hinterlassen durfte nahm es auf, drückte es an sich und streichelte sein Haar.
    Denn natürlich, rief sich Reyna ins Gedächtnis, war Sonel diejenige unter den Töchtern ihrer Mutter, der sie ihr Herz schenken konnte. Sonel war diejenige Tochter, die sie nicht leichtfertig behandeln durfte. Wenn Sonel einst in die Berge ginge, würde sie wiederkommen.
    »Meine Mutter ...«, sagte sie noch einmal, als das Kind still auf Khiras Schoß saß. »Wir haben Dinge gesehen; Dinge, die wir mit dir und später mit allen Menschen im Tal bereden müssen. Ich weiß nicht, ob du den Eid der Jäger kennst. Und ich weiß nicht, ob du eine Vorstellung davon hast, wie viele Menschen außerhalb von Brakrath leben, ich weiß nicht, ob dir klar ist, wie wenig wir darauf vorbereitet sind, ihnen entgegenzutreten ...«
    Sie hielt einen Moment unsicher inne. Viel hing von der Unterstützung ihrer Mutter ab. Wenn sie und Juaren von Tal zu Tal gingen, um von ihrer Reise zu berichten, wenn sie Birnam Rauth dazu brächten, seine Geschichte zu erzählen, und der Rat der Versteinerung den Leuten verböte zuzuhören ...
    Sie waren auf die Unterstützung ihrer Mutter angewiesen. Sie war die einzige von ihnen, die zum Rat sprechen konnte, die ihren Fall vortragen und ihn nachdrücklich vertreten konnte. Aber Reyna konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Er war verschlossen und nachdenklich.
    »Meine Mutter ...«, begann sie aufs neue.
    Aber Khira hob die Hand und brachte sie zum Schweigen. »Das Kind«, sagte sie zu Iahn. »Es hat sich schon wieder im Alkoven versteckt. Würdest du es herbringen?«
    Noch ein Kind? Wessen mochte es sein? Reyna biß sich auf die Lippe, durch die Unterbrechung gestört; sie fragte sich, ob sie versuchen sollte, einfach darüber hinwegzugehen. Der Rat mußte den Leuten erlauben, Birnam Rauths Erzählungen von all den
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