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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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gebleckten Zähnen.
    Weshalb verlangst du danach zu singen, während ich nur schlafen möchte, Seide? Meine Jungen und Nestlinge sind in ihren Geweben. Der Wald ist still. Warum sollte ich deine Stimmen befreien, wenn ich ruhen will?
    Weil du weißt, welche finsteren Geschöpfe zwischen den Bäumen umherschweifen und wütend nach deiner Aufmerksamkeit verlangen. Für uns sind sie nur die Gedanken, die uns mit den Spinnern und der Ungesehenen verbinden. Für dich dagegen sind die Bilder, die sie vermitteln, Nachtmahre; und wenn du ermüdest, rücken sie dir auf den Leib. Du mußt Singträume annehmen, um die Barrieren deines Geistes instandzuhalten.
    Finstere Geschöpfe, die nur Gedanken sind; die gleiche Antwort, die sie immer zu hören bekam; sie war nicht eingehender aufgeklärt worden als bei anderen Gelegenheiten auch. Gereizt zog Tsuuka ihre schwarzen Krallen über das festgezurrte Gewebe.
    Hör mich an, Seide. Ich bin Tsuuka, die dich hier aus der Spannung gelöst hat; Tsuuka, die deine Stimme befreien oder dich an die Pfosten binden und zum Schweigen verurteilen kann. Warum sind deine Gedanken Nachtmahre für mich? Weshalb zerren sie mich in einen Abgrund? Wieso gibt es keine Möglichkeit, ihnen zu entgehen, außer durch Singträume? Sag es mir schnell, Seide, bevor ich dich wieder festbinde.
    Die Seide erwiderte sanft:
Warum steht der Mond am Himmel, meine Tsuuka? Weshalb weht der Wind durch die Bäume? Weißt du es? Und dann, wieso leben unsere beiden Arten zusammen im Wald; warum beschützt du die Spinner vor Grasflegeln und Hautstachlern und anderen Räubern, die ihnen nachstellen, und die Spinner schützen dich vor den Fluginsekten, die auf dein Blut aus sind – und wes-
    halb befreien wir dich von den Nachtmahren? Wie könntest du ohne uns existieren? Wie könnten wir ohne dich existieren? Das ist nun mal unsere Lebensweise, wie sie seit langem ist; wie wir sie seit langem kennen.
    Ihre Lebensweise. Wie immer wich ihr die Seide auch diesmal aus. Sie hatte einige Fragen nicht beantwortet. Aber Tsuuka zog die Krallen ein und schickte sich widerstrebend in die Unzulänglichkeit der Ausführungen des Gewebes. Es gab Sithis, die nicht im Wald lebten; die in den Weiden jenseits der hohen Bäume jagten. Sie waren erbärmliche Geschöpfe; die Leiber von den Saugrüsseln der Fluginsekten zerstochen; die Felle fleckig; die Jungen schlecht gefüttert, weil die Flügler sie derart schwächten, daß sie kaum jagen konnten. Aber im Wald kletterten die Spinner zu den hohen Nestern der Flügler, die für die Sithis unerreichbar waren, und verfütterten die Larven, bevor sie sich verpuppen konnten.
    Ich würde nicht leben ohne dich und diese Fütterung,
gab sie zu.
Ich könnte sonst meine Jungen nicht großziehen.
    Und unsere Lieder – gefallen sie dir nicht, Tsuuka?
Die Stimme der Seide war arrogant und selbstgefällig geworden.
Wir werden alles singen, was dir gefällt. Wir singen dir Lieder, glänzend wie Wiesen im Mondlicht, majestätisch wie die Bäume im Sternenschimmer. Wir singen dir Lieder, lieblich wie die Gesichter deiner Jungen, sanft wie das Fell deiner Nestlinge. Wir singen dir Lieder, um den Ruf deiner Schwester auszulöschen, die den Wald durchwandert.
    Tsuuka erbebte unwillkürlich bei dieser Erinnerung.
Meine Schwester lebt nicht in diesem Teil des Waldes, Seide. Es ist viele Perioden her, seit ich ihren Ruf zuletzt in den Bäumen vernommen habe. Es ist viele Perioden her, seit ich zuletzt ihr leeres Gesicht sah und ihrem leeren Blick begegnete.
    Tatsächlich redete nur noch die Himmelsseide über Maiilin. Die anderen Sithis bewahrten Stillschweigen über sie, als hätten sie ihren Namen vergessen; als hätten sie alles über sie vergessen seit jenem ersten Tag, da Tsuuka von den dichtstehenden Bäumen zurückgekehrt war; weinend und verlassen.
    Aber Tsuuka mußte oft an ihre Schwester denken, mit wehem Herzen. Hörte Maiilin zur Zeit den Seiden zu, während sie durch die entfernten Regionen des Waldes wanderte? Peinigten die Lieder ihr beeinträchtigtes Gedächtnis mit willkürlichen Erinnerungen an ihre Kindheitstage, während derer sie schimmernde dunkelbraune Schatten gewesen waren, die pfeilschnell durch die Wiesen schossen und gemeinsam lachten; beide so fröhlich und behende und frei, wie es jetzt nur noch Tsuuka war?
    Meine Schwester ist fort, und keinem meiner Jungen soll es wie ihr gehen. All meine Kinder werden gepflegt und frei sein,
verkündete Tsuuka mit der übertriebenen
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