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Sternenfaust - 122 - Das Wrack

Sternenfaust - 122 - Das Wrack

Titel: Sternenfaust - 122 - Das Wrack
Autoren: Anonymous
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ein, schickte ein stummes Stoßgebet an wen auch immer, der es hören mochte – und drehte am Rad.
    Die Tür öffnete sich mit einem lauten Zischen, und ein Mechanismus trat in Kraft, der sie zur Seite zog und in einer schmalen Öffnung in der linken Wand verschwinden ließ.
    Max blickte in ein kleines, mit unglaublich viel Krempel vollgestopftes Zimmer. Die Wände waren mit Plakaten, Leinwänden und schematischen Darstellungen behangen, deren Sinn er nicht ergründen konnte. Der Boden war mit Tellern voller halbkompostierter Mahlzeiten, mit zerknüllten Bechern und verhärteten, vor langer Zeit benutzten Taschentüchern übersät. An der Wand hing ein Käsebrot, halb verschimmelt, mit einem Nagel gegen die Verschalung geheftet. Und mitten in diesem Chaos stand eine Konstruktion, die so absurd anmutete, dass Max Brooks sich kurzzeitig in ein Paralleluniversum verschlagen fühlte.
    Es war ein … Ding. Kein anderes Wort hätte es treffender beschrieben. Ein Gebilde aus scheinbar wahllos zusammengeschweißten, -geschraubten und -geklebten Metallteilen, kombiniert mit Beigaben aus diversen anderen Materialien. Insgesamt sah es einer künstlerischen Installation nicht unähnlich, wie man sie in den Museen von New York oder anderen Metropolen bewundern konnte. Nur dass diese nicht den bildenden Künsten zugehörig zu sein schien. Überall war das Ding in Bewegung, drehten sich Spulen, wurden Seile und Drähte gespannt und wieder gelockert. Manche der Seile sahen aus, als seien sie aus menschlichen Haaren geflochten. Runde Scheiben schlugen in einem aberwitzigen Rhythmus gegeneinander, einem Blasebalg ähnliche Beutel blähten sich auf und ließen ihren Inhalt in trichterförmige Gebilde ab, die daraufhin schräge Pfeiftöne absonderten. Eine dickflüssige rote Brühe tropfte aus einem halbdurchsichtigen sackartigen Gebilde in ein hölzernes Fass, das jemand schief durchgesägt und mit einer Art Leder ausgeschlagen hatte. Sand rieselte in blecherne Gefäße, die das dadurch entstehende Geräusch tausendfach verstärkten. Und hinter all dem stand, als wäre er ein bedeutender Komponist, ein immenser, sichtlich veralteter Zentralrechner, groß wie ein Kleiderschrank. Surrend, ratternd. Ein Museumsstück.
    Der Lärm, den das Ding verursachte, war ohrenbetäubend – und dennoch ganz unverkennbar die eigenartige Melodie, welche Max hergelockt hatte.
    »Klopstock, sind Sie’s?« Eine krächzende Stimme. Irgendwo aus den hinteren Bereichen des Zimmers kommend, mitten aus dem Ding . »Verflucht, Mann, ich habe Ihnen doch tausendmal gesagt: Wenn Sie die Tür öffnen, entweicht Klang! Und der abgeschlossene akustische Raum ist eine essenzielle Komponente des … – Oh.«
    Ein kahler Schädel war aus dem Gewirr aufgetaucht, blickte ratlos und ein wenig blasiert in Max’ Richtung. Der dazugehörige Mann sah aus wie achtzig. Tiefe Falten durchzogen sein Gesicht, und seine Kleidung – braunes Cordhemd und eine ausgewaschene Jeans – wirkte, als habe er mehrere Jahre lang in ihr geschlafen und auch jede erdenkliche andere Tätigkeit vollzogen.
    »Sie sind ja gar nicht Klopstock.« Eine Feststellung, sachlich und nüchtern.
    Max stand vor Verblüffung der Mund offen. Ein leises »Nein«, kam heraus.
    »Na, macht nichts. Seit seinem Tod lässt er sich ohnehin nur noch selten blicken. Ja.«
    »W…« Es war verblüffend: Unzählige Fragen schossen Max durch den Kopf, und sie alle begannen mit ein und demselben Buchstaben. Doch als er sich soweit gesammelt hatte, auch nur eine von ihnen laut auszusprechen, überraschten die Töne, die ihm über die Lippen kamen, ihn selbst. »W… Wie spät ist es?«
    Der Glatzkopf zuckte entnervt mit den Achseln. »Woher soll ich das wissen, Kerl? Kurz vor Puissance, würde ich vermuten, denn so langsam verspüre ich wieder diesen unmissverständlichen Brechreiz in mir aufsteigen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Max, der seit einer geraumen Weile nichts mehr verstand, nickte reflexartig. Ihm war, als laufe er nur noch auf Autopilot.
    »Glauben Sie ihm kein Wort, hören Sie? Sie wissen ja, wie er so ist. Klopstock weiß es auch, oh ja, mittlerweile hat selbst Klopstock es wohl begriffen.« Ein wissendes Funkeln trat in die Augen des Kahlen. »Sind Sie wegen der Hymne gekommen? Falls ja, muss ich Sie vertrösten. Das dauert mindestens noch eine Woche, wenn nicht mehr. Allerdings nehme ich nach wie vor Textvorschläge entgegen. Willkommen ist alles, was sich reimt und pathetisch genug ist. Ja.«
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