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Sternenfaust - 107 - Spion auf Ganymed

Sternenfaust - 107 - Spion auf Ganymed

Titel: Sternenfaust - 107 - Spion auf Ganymed
Autoren: Anonymous
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Kridan-Freunde.
     
    *
     
    Seran-Pakor blickte konzentriert auf die Schrifttafeln, die er vor sich liegen hatte. Zumindest versuchte er, diesen Anschein zu erwecken und vorzugeben, sich ehrfürchtig der Tatsache bewusst zu sein, dass er hier eine der ältesten Aufzeichnungen der heiligen Schrift in den Krallen hielt, die nur er allein berühren durfte, denn er war der Raisa, das Oberhaupt aller Kridan und rechtmäßiger Herrscher über das kridanische Imperium.
    Natürlich waren auch diese Schrifttafeln schon vor Jahrhunderten wie alle anderen auch mit moderner Technik auf Speichermedien übertragen worden und zusammen mit den restlichen Schriften als Datei jedem Kridan über ein Handspeichergerät oder jeden anderen Computer zugänglich. Doch in einem Punkt waren sich alle Lehrer des jungen Raisa einig, dass nämlich der Geist von Marton-Sar, dem Ersten Raisa, dem die heiligen Schriften aus dem Schnabel Gottes diktiert worden waren, in diesen alten Artefakten steckte. Deshalb gehörte es zum Pflichtprogramm jedes neuen Raisa, die Originale zu studieren, damit der in ihnen enthaltene Geist auf den Neuen übergehen konnte.
    Seran-Pakor hielt das für Aberglauben, und er war sich sicher, mit dieser Einschätzung nicht allein zu sein. Gewiss hatten andere Raisa vor ihm schon erkannt, dass diese Tafeln aus weichem Pakin -Gestein, in die durch einen Schreibstift mit einer Diamantspitze die Schriftzeichen geritzt worden waren, nur aus toter Materie bestanden, deren einzige »spirituelle Ausstrahlung« in dem Bewusstsein lag, mit dem der jeweilige Betrachter sie las.
    »Welche Worte verstehst du nicht, Seran?«
    Die Stimme seines Lehrers riss ihn aus seinen Gedanken, und er verfluchte seine Unachtsamkeit, die ihn etwas zu lange auf denselben Punkt auf derselben Tafel hatte blicken lassen, statt seinen Blick wie lesend von einer zur nächsten Zeile wandern zu lassen. Natürlich war Satren-Nor seine Unaufmerksamkeit nicht entgangen; dazu war er ein zu scharfer Beobachter und kannte seinen jungen Schützling zu gut. Immerhin unterrichtet er ihn bereits seit dem er aus dem Ei geschlüpft war.
    »Ich verstehe alles«, antwortete der junge Kridan ein wenig ungeduldig. »Aber ich begreife nicht, warum ich diese Schriften immer noch studieren muss. Ich tue seit zwölf Jahren nichts anderes und wage zu behaupten, dass ich sie auswendig kenne. Das ist reine Zeitverschwendung!«
    »Auswendig … Wie du meinst …«, sagte Satren-Nor in einem Tonfall, der dem jungen Kridan signalisierte, dass er daran seine Zweifel hegte. »Zitiere den ersten Satz der siebenundzwanzigsten Strophe des 101. Marton-Sar-Textes«, forderte Satren-Nor den jungen Kridan auf.
    Der Kridan, den man auch den »Prediger« nannte und der jenen Umsturz im Kridanischen Imperium bewirkt hatte, der dem Volk endlich Frieden brachte, war neben dem Priester Orlan-Gal und dem ehemaligen General Daren-Kan zum Lehrer des Raisa ernannt worden.
    Am Anfang hatte es reichlich Widerstand von den Tanjaj und der Priesterschaft dagegen gegeben, die sich aber nicht hatten durchsetzen können. Die Priesterschaft, die nach dem Tod des alten Raisa die Herrschaft an sich gerissen hatte, hatte ihren Einfluss verloren, nachdem Satren-Nor und seine Gefolgsleute dem kridanischen Volk bewiesen hatten, dass die Priester die reinen Lehren Gottes, niedergeschrieben vom Ersten Raisa, bewusst manipuliert und falsch interpretiert hatten. Und die Tanjaj waren gescheitert, als sie die letzte Schlacht gegen die Menschen bei Okrikit, das die Menschen »Konors Stern« nannten, verloren hatten. Für das Volk war das der letzte Beweis, dass Gott den Kridan zürnte und sie strafen wollte. Das hatte die Mehrheit der Vogelartigen auf Satren-Nors Seite gebracht, und er hätte problemlos die Macht im Reich an sich reißen und sich selbst zum Oberhaupt des Imperiums ernennen können. Das Volk wäre ihm gefolgt. Doch er begnügte sich damit, die Regierung interimsweise auszuüben, bis Seran-Pakor, der neue Raisa, alt genug war, um selbst zu regieren. Er wollte diese Macht nicht. Das Einzige, was er mit seiner Revolution hatte erreichen wollen – und erreicht hatte – war, dem kridanischen Volk die Wahrheit zu bringen, dass es nicht Gottes Wille war, dass die Kridan den wahren Glauben an den wahren und einzigen Gott mit kriegerischer Gewalt und feuernden Graser-Kanonen im Universum verbreiteten, sondern mit friedlicher Überzeugungsarbeit. Damit hatte er der Mehrheit des nach Frieden hungernden Volkes eben den
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