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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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herüber, vergnügtes Geplansche und Gelächter, eifriges Geschnatter und Gekicher, andächtiges Gebetsgemurmel. Bruchstücke dumpfer Trommelschläge und das dünneSchellengeklingel eines Tamburins, durchwoben von einem mehrstimmigen Frauengesang. Satzfetzen und Wortmelodien in Suaheli, Nubisch, Abessinisch, Türkisch, Persisch, Arabisch, Tscherkessisch, den Sprachen des Palastes und der übrigen Insel. Eine Vielfalt, die sich in den Gesichtern der Menschen spiegelte, die das fein abgestufte Farbenspiel von Sahne und Karamell über Gold- und Olivtöne, Zimt und Kaffeebraun bis hin zum tiefsten Ebenholzschwarz zeigten. Allein wenn der Sultan zugegen war, durfte nur Arabisch gesprochen werden; dies verlangte die stolze Tradition seiner Ahnen.
    Das befürchtete Keifen ihrer Lehrerin blieb aus; ebenso das beharrliche Locken eines Leibdieners, vom Vater ausgeschickt, seinen ungehorsamen Nachwuchs aufzuspüren und ihnen die verdiente Standpauke zu halten.
    »Da ist keiner«, bekundete Ralub daher auch, spuckte geräuschvoll einen Orangenkern hinab und gleich darauf noch einen.
    »He, ihr da oben!«, ertönte eine tiefe Männerstimme unmittelbar unter ihnen.
    Die Geschwister sahen sich erschrocken an und machten sich in der Baumkrone so klein wie möglich. Es knackste und raschelte, als kräftige Hände in die Äste griffen und sie auseinanderbogen. Dazwischen erschien erst ein safranfarbener Turban, dann das flächige Gesicht eines grobknochigen, noch sehr jungen Mannes, die Pockennarben auf seinen Wangen nur unzureichend von einem eben erst sprießenden Bart bedeckt. Weiß hoben sich die Zähne gegen seine nussbraune Haut ab, als er breit grinste. »Ich dachte schon, die Stummelaffen hätten über Nacht sprechen gelernt. Wie ich jedoch sehe, sind es nur die Kinder des Sultans, die die Schule schwänzen!«
    »Majiiid« , quiekte Salima und konnte nicht schnell genug aus ihrer luftigen Höhe hinabsteigen, bemerkte nicht einmal das Aufjammern Ralubs, als sie ihm dabei unbeabsichtigteinen Tritt versetzte. Das letzte Stück ließ sie sich einfach in die ausgebreiteten Arme ihres älteren Halbbruders fallen und umschlang ihn mit aller Kraft.
    Mit einem betont heftigen Keuchen setzte Majid sie ab. »Du bist ja richtig schwer geworden! Ich könnte schwören, du bist seit letzter Woche ein ganzes Stück gewachsen.«
    Salima errötete voller Stolz und reckte sich gleich noch ein wenig mehr, während Majid nach Ralubs heldenhaftem Sprung, dessen Landung etwas wacklig geriet, auch Metle Hilfestellung leistete.
    »Seit letzter Woche ist noch was passiert – guck!«, rief Salima, bleckte die Zähne und entblößte dabei eine gähnende Lücke in der Mitte ihres Oberkiefers, die ihr ein überaus kesses Aussehen verlieh. Majid bewunderte den ersten ausgefallenen Zahn seiner kleinen Halbschwester gebührend.
    »Hat gar nicht wehgetan«, berichtete sie freudestrahlend, legte dann den Kopf in den Nacken, riss den Mund so weit auf wie nur möglich und rubbelte aufgeregt mit der Fingerspitze über die gezackte Kante des neuen Zahns, der gerade hervorbrach. »Ungga gommtffon ger neue!«
    »Das muss gefeiert werden«, verkündete Majid mit einem dem Anlass entsprechenden Ernst. »Am besten mit einem Ausritt ans Meer.«
    Salima entfuhr ein Freudengeheul, und sie begann wild auf der Stelle umherzuhüpfen. Schon so lange war sie nicht mehr am Strand gewesen, mindestens ein paar Tage nicht, dabei hatten sie das Meer doch gleich vor der Tür! Das letzte Mal, dass sie mit Majid dort gewesen war, lag sogar noch viel länger zurück.
    »Ans Me-heer, ans Me-heer«, singsangte sie in einer Phantasiemelodie und tanzte um Metle herum, um sie zum Mitmachen zu bewegen. Vergeblich. Metle fuhr stattdessen damit fort, Orangen von den untersten Zweigen zu pflückenund in ihrem Obergewand zu sammeln, das sie am Saum hochhielt.
    »Gibt das unseren Proviant?«, wollte Salima wissen, ihre Stimme kieksig vor lauter Vorfreude.
    Metle schüttelte den Kopf so heftig, dass die von Goldschmuck beschwerten Enden ihrer Zöpfchen umherflogen. »Ich komme nicht mit. Die bringe ich Mutter, sie isst sie frisch vom Baum doch so gern, und lese ihr noch etwas vor. Dann wird ihr der Tag auch nicht so lang.« Mit einem Mal wirkte Metle viel älter als ihre neun Jahre, erwachsen beinahe.
    Die Mutter von Metle und Ralub war seit einer schweren Krankheit kurz nach der Geburt ihres Sohnes gelähmt. Eigens für sie war zwischen dem Palastflügel der Frauen und dem Flussufer ein Pavillon
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