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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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doch die Hufschläge langsamer wurden, gedämpfter, währte bei Salima nicht lange.
    »Lass mich runter«, drängte sie, noch ehe Majid die Stute, die prustend ihren Kopf schüttelte, zum Stehen gebracht hatte. »Lass mich runter, Majid, ich will ins Wasser!« Ihre Füße zuckten; alles an ihr schien zu vibrieren. »Majid!!«
    »Gemach, meine Gebieterin, gemach«, sagte Majid lachend,sprang dann aber doch eilends ab und hob seine Schwester aus dem Sattel.
    Salima rannte mit rudernden Armen los; hinein in das laue Nass, das zuerst an den Zehen leckte, dann an den Knöcheln, an den Waden kitzelte, immer mehr Widerstand bot, bis Salima sich einfach fallen lassen konnte. Gegen die Wucht der Wellen anzupaddeln oder sich von ihnen schaukeln zu lassen, das liebte Salima, seit sie als ganz kleines Mädchen am Strand vor Beit il Mtoni das erste Mal baden gewesen war.
    »Delphine«, schleuderte sie Majid über die Schulter hinweg zu, »schau doch – Delphine!« Ihr ausgestreckter Finger war auf die schlanken bleigrauen Leiber mit der sichelförmigen Rückenflosse gerichtet, die glänzend aus den Fluten auftauchten und wieder hineinglitten. Salimas Entzücken war grenzenlos, und in großen Sätzen tollte sie ins Wasser hinein in der Hoffnung, nah genug hinschwimmen zu können. Ihre Augen leuchteten, ließen die Delphine nicht aus dem Blick, erfassten dann die weißen Segel mehrerer Schiffe, die sich am Horizont der weiten Fläche aus geschmolzenem Aquamarin und Lapislazuli entlangschoben.
    Ein Gedanke keimte in ihr auf, trieb zu einer Frage aus. Ihre Nasenwurzel kräuselte sich in angestrengtem Überlegen, während ihre Beine unaufhörlich weitermarschierten. Doch dieser einen Frage folgten weitere, zogen mehr Gedanken nach sich und überwältigten sie schließlich in ihrer Fülle, sodass Salima aus dem Takt kam und stehenbleiben musste.
    »Was ist, Salima?«, rief Majid hinter ihr, doch sie konnte nur stumm mit dem Kopf schütteln, schaffte es mit Müh und Not, einige Schritte rückwärts zu tapsen, bis sie wieder festen Grund unter dem Boden hatte, nicht nur Sandflächen, die das Meer nach und nach unter ihren Sohlen wegspülte.
    Flaches zweitaktiges Rauschen in ihrem Rücken verriet ihr,dass Majid seine Sandalen abgestreift hatte und zu ihr hereinwatete.
    »Was hast du gesehen?« Majid ergriff die Hand, die sie ihm entgegengestreckt hatte, ohne den Blick vom Horizont abzuwenden.
    »Wo fahren die Schiffe hin?« Ihre Stimme klang tief vor Anspannung. »Was ist auf der anderen Seite vom Meer?«
    Majid schloss die Hand fester um die Kinderfinger, beugte sich vor, sein Gesicht dicht an ihrem, und legte ihr den anderen Arm auf die Schulter, um mit seinem Zeigefinger Linien auf Meer und Himmel zu malen. »Hier vorn, da ist Pemba, das auch zu Sansibar gehört. Und da«, sein Finger deutete nach links, »setzt sich die Küste Afrikas fort, die du von der anderen Seite der Insel her kennst. Mombasa liegt dort, und ein Stück weiter hinauf kommt dann irgendwann Abessinien.«
    »Wo Barghashs Mutter herkommt und die von Metle und Ralub?«
    Majid bejahte.
    »Und dahinter?«
    »Liegt das Mittelmeer.«
    »Und da dahinter?«
    »Europa. Frankreich, Spanien, Portugal und weiter im Norden England.«
    England . Von dort stammte ein Service aus Dutzenden von Teilen, das in Beit il Mtoni nie benutzt wurde, weil es aus einem Silber gefertigt war, das in der Luft Sansibars beständig anlief. In Ehren gehalten wurde es gleichwohl; einer der Haussklaven nahm es mehrmals am Tag aus dem Wandregal, um es neu zu polieren. Es handelte sich um ein Geschenk der Königin von England an den Sultan, ebenso wie die geschlossene Kutsche, die hinter dem Stall stand, solange Salima denken konnte, die Eisenräder rostüberkrustet, das Holz vermodert und die Seide, mit der sie ausgeschlagen war, stockfleckig.Auf Sansibar gab es nur zwei Straßen, die breit genug gewesen wären für einen solchen Wagen, und auf diesen kam man nicht sonderlich weit.
    »Und da?« Salimas freie Hand tippte geradeaus in die Luft.
    »Da kommt Arabien, und da liegt auch der Oman. Dahinter liegen das Osmanische Reich und Russland. Tscherkessien befindet sich auch in dieser Richtung. Und dort drüben«, Majids Finger wanderte ein gutes Stück nach rechts, »geht es dann nach Ostindien.« Aus dem Augenwinkel sah er, wie das kleine Mädchen nachdenklich auf ihrer Unterlippe kaute.
    »Warst du schon einmal im Oman?«, kam es schließlich zögernd von ihr. Das Sultanat von Muscat und Oman war
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