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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Früchte. Es hieß sogar, aus einem Stück gerollter und getrockneter Zimtrinde, das man in der Stadt von Sansibar in den Boden steckte, würde im Nu ein neuer Setzling.
    Schon von Weitem war der strenge Geruch der Gewürznelken-Plantagen wahrzunehmen, schwer und würzig, betäubend nahezu, darunter eine holzige Schärfe. Wie dicker dunkler Samt lag er in der Luft, umso kräftiger, je weiter der Weg anstieg, wurde mit einem Mal atemberaubend, als sich vor ihnen eine breite Schneise öffnete. So weit das Auge sehen konnte, reihten sich Bäume auf, deren glänzendes Laub fast bis zur Erde reichte. Auf dreibeinigen, sich nach oben verjüngenden Holzgestellen kletterten tiefschwarze Männer herum, bis in die Wipfel hinauf; einige von ihnen winkten ihnen zu, riefen: » Shikamoo, shikamoo , guten Tag, guten Tag!«
    Es waren die Sklaven, die die Trauben von gelbgrünen bis weißrosa Knospen von den Zweigen pflückten. In der Sonne getrocknet, wurden sie zu harten braunen Köpfchen, die in einer vierzackigen Fassung auf einem Rest Stängel saßen. Sie sahen aus wie die Nägel aus Messing, die in Beit il Mtoni die Truhen aus edlem Holz zusammenhielten undschmückten. Gewürznelken waren der Reichtum von Sansibar, und ihr kräftiges Aroma war der Duft der Insel.
    Wie anders war es, mit Majid allein hierherzukommen! Abenteuerlicher. Ungezähmter. Nicht mit einem ganzen Tross aus dem Palast, begleitet von einer Schar Dienerinnen und Sklaven, die mit einem Schirm in der Hand neben den herausgeputzten Rössern der Frauen des Sultans einherliefen, damit diese vor der Sonne geschützt blieben. Nicht mit Packeseln, die Teppiche, Kissen, Fächer und Geschirr mit sich führten, damit der Hausstand von Beit il Mtoni später beim Picknick bequem und vor allem standesgemäß lagern, die vorausgeschickten feinen Speisen genießen und sich an der Kunst der indischen Musiker und Tänzer erfreuen konnte.
    Überhaupt, befand Salima einmal mehr, war Majid der beste große Bruder, den sie sich wünschen könnte. Nicht so wie Barghash, mit seinen vierzehn Jahren etwas jünger als Majid, der keinen Spaß verstand und nichts anzufangen wusste mit kleinen Kindern, der schnell die Geduld verlor und dann unwirsch sein konnte. So lieb sie Metle und Ralub hatte – mit Majid verband sie etwas Besonderes. Hatten nicht schon ihre Mütter sich als Schwestern betrachtet, und das nicht nur aufgrund ihrer Herkunft? Bei Majid hatte Salima immer das Gefühl, er habe nicht vergessen, wie es war, Kind zu sein; manchmal schien es gar, als verstünde er sie ohne Worte. Ob es daran lag, dass sie beide tscherkessisches Blut in den Adern hatten?
    »Gleich sind wir da«, raunte Majid in ihre Gedanken hinein. Die Plantagen hatten sie hinter sich gelassen; auf dem sanft abfallenden Grund wechselten sich gartenumsäumte Dörfchen mit Reisfeldern und Getreideäckern ab, deren Halme der Wind zärtlich durchkämmte. Die einsamen Palmen bündelten sich zu Hainen, verdichteten sich zu einer Mauer, die Majids Stute gleichwohl Zugang gewährte. Der Nelkenduftwar verweht; nun tränkte das Salz des Meeres die Luft und ließ Salimas Herz höher schlagen, und auch das Pferd unter ihr schnaubte – wohlig, wie es Salima vorkam.
    »Halt dich fest!«, rief Majid. Folgsam krallte Salima ihre Finger in die Mähne, während Majid mit der einen Hand die Zügel fester packte und mit dem anderen Arm den Leib seiner kleinen Schwester umschlang, sie an sich drückte und sicher barg. Salima spürte, wie die Stute unruhig ihre Muskeln anspannte. Majid schnalzte kräftig mit der Zunge, und sie brachen durch den Palmengürtel hindurch, hinaus in den hellen Sand, blendend im Sonnenlicht, das auf der türkisblauen Fläche des Meeres funkelte.
    Ein Jubelschrei entfuhr Salima, ging in ein freudiges Kreischen über, als das Pferd lospreschte und in einem lang gezogenen Bogen über den Strand, dann im Galopp die bewegte, schaumgekrönte Wasserlinie hinaufjagte. Eine Schar Wasservögel flog in einer Explosion aus schwarz-weißem Flügelflattern auf und zog dann unter entrüstetem Geschrei enge Kreise über ihnen. Die Hufe des Pferdes ließen pulvrige Fontänen aufstieben, als sie schneller und immer schneller in den Sand donnerten.
    Mehr, mehr, ich will mehr!
    Majids rhythmische Rufe, um sein Tier noch weiter anzutreiben, bekamen ein Echo aus Salimas Kehle, bis der Wind ihr die Laute aus dem Mund rupfte und ihr den Atem raubte.
    Ich kann fliegen! Ich kann wahrhaftig fliegen!
    Das Bedauern, als irgendwann
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