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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
Autoren: Michael Hübner
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Er war müde und sehnte sich danach, diese fremd gewordene Welt für ein paar Stunden zu verlassen. »Ich verschwinde jetzt besser«, sagte er und rieb sich die Augen. »Werde versuchen, noch ein wenig Schlaf nachzuholen. Wir sehen uns dann morgen.«
    »Ist das deine charmante Art zu sagen: ›Kümmere du dich um den Bericht‹?«
    »Gut übersetzt«, schmunzelte Sven. »Das hier ist deine Show.«
    »Na schön«, gab sich Dennis geschlagen. »Kannst du mich wenigstens morgen früh abholen? Mein Auto hat den Geist aufgegeben.«
    »Kein Problem«, sagte Sven.
    »Prima. Aber tu mir bitte einen Gefallen.«
    »Klar, was denn?«
    »Verbrenn vorher das Hemd.«
    Sven winkte lächelnd und ging zurück zu seinem Wagen. Während die Stimmen hinter ihm langsam verhallten, überkam ihn plötzlich Angst vor der Einsamkeit seines Schlafzimmers. In diesem Moment hätte er lieber die ganze Nacht hindurch Berichte geschrieben.

3
     
     
     
     
     
     
     
    D er nächste Tag schien noch heißer zu werden. Als Sven am Morgen seinen Wagen vor Dennis’ Haus abstellte, war die Luft bereits zum Schneiden. Wie schon die Nächte zuvor hatte er schlecht geschlafen, und seine Augäpfel schienen zu eng in ihren Höhlen zu liegen.
    Dennis wohnte in einem kleinen Einfamilienhaus in einem Dreihundert-Seelen-Dorf. Ein kurzes Glockenspiel erklang, als Sven auf die abgewetzte Klingel neben dem kaum leserlichen Namensschild drückte.
    »Sven?«, ertönte es dumpf aus einem kleinen Kellerfenster links neben dem schmalen Treppenabsatz. »Bist du’s?«
    »Wen hast du denn erwartet, das Playmate des Monats? Hast du etwa vergessen, dass ich dich abholen sollte?«
    »Nein. Mir ist hier unten nur was – na ja, dazwischengekommen«, rief Dennis und schob den Kopf aus der schmalen Fensteröffnung. »Komm rein, die Tür steht auf Drücker.«
    Als Sven das Haus betrat, war er zum wiederholten Male überrascht, wie groß es wirkte. Helle Farben und spärliches, überwiegend rustikales Mobiliar ließen es von innen geräumiger erscheinen, als auf den ersten Blick zu vermuten war. Er ging den kleinen Korridor entlang, an dessen Ende sich eine halboffene Tür befand. Dahinter führte eine Steintreppe in den hell erleuchteten Keller hinab. Ein säuerlicher Geruch stieg Sven in die Nase, als er die Stufen hinabstieg. Nur mit Sportshorts bekleidet kniete Dennis an der hinteren Wand vor einem grauen Kasten und hantierte mit einem Schraubenschlüssel in dessen Innenleben herum.
    »Willkommen in meiner Gruft«, sagte er, als er Sven erblickte. »Komm ruhig runter, es dauert noch einen Moment.«
    »Was zum Henker treibst du da?«
    »Ach, irgendwas stimmt mit diesem verdammten Heizungskasten nicht. Dieses klapprige Fossil stand vermutlich schon da, als sie den Grundstein für das Haus gelegt haben. Ich wette, die haben die Hütte um dieses Scheißding herumgebaut.«
    »Wo liegt denn das Problem?«, wollte Sven wissen.
    »Der Brenner geht immer wieder aus. Nicht dass es mir bei dieser Hitze viel ausmachen würde, jeden Morgen eiskalt zu duschen, aber das Fatale an der Sache ist, dass die Gaszufuhr nicht unterbrochen wird. Liegt bestimmt am Ventil, oder was auch immer das hier sein soll.«
    »Vielleicht solltest du lieber einen Fachmann holen.«
    Dennis lachte laut auf. »Hast du mal versucht, während der Ferienzeit einen Handwerker aufzutreiben? Da stehen deine Chancen besser, den Heiligen Gral zu finden. Ich hab den Kasten jetzt erst mal lahmgelegt. Das sollte mich vor weiteren Gasattacken schützen. Für alle Fälle lasse ich aber immer das Kellerfenster offen.« Er legte den Schraubenschlüssel beiseite und drehte sich zu Sven um. »Und wie war dein Morgen?«
    »Seit gestern hat sich nicht viel geändert.«
    »Na, ich weiß nicht.« Er zeigte auf Svens Hemd. »Wie ich sehe, hast du das Ding nicht verbrannt.«
    »Nein, aber gebügelt.«
    »Vielleicht hättest du das auch mit deinen Augen machen sollen.«
    »Wahnsinnig witzig«, knurrte Sven grimmig.
    »Mach dir nichts draus«, meinte Dennis. »Meine Nacht war auch ziemlich kurz. Zuerst habe ich noch bis zirka zwei Uhr an dem Bericht gesessen, und heute Morgen hat mich diese Antiquität hier auf Trab gebracht. Ich sage dir, es gibt kein besseres Mittel, um morgens den Kreislauf in Schwung zu bringen, als den betörenden Duft von ausströmendem Gas. Ich schätze, ich hab vorhin den inoffiziellen Weltrekord im Treppenlaufen ohne festes Schuhwerk hingelegt.«
    »Du hast also tatsächlich gestern noch den Bericht
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