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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich
Autoren: Wo die Löwen weinen
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lösen, mich
zu strecken, die Zahnräder ineinandergreifen zu lassen. Mein Herz pumpt, mein
Leib dampft, das Kind in mir versteift sich in nervöser Anspannung. Die Lanze
in meiner Rechten bricht aus ihrer Abwinkelung, auch sie streckt sich,
durchdringt das künstliche Gestein, während ich den linken Arm hebe und nach
meinem Schwert greife. Ich drücke meine Beine hoch und werde die Kriegerin, die
ich bin. Ich könnte jetzt ebenfalls lachen, genauso höhnisch und voller
Verachtung wie die Söldner dort draußen. Aber es reicht wohl, daß sie die
Erschütterung bemerken, die Risse im Beton und wie die Glocke aus ihrer
Verankerung bricht. Ich spüre ihren Schrecken, ihr Unvermögen, zu reagieren.
Sie wissen nicht, was los ist. Sie wissen nicht, ob sie die Bombe noch zünden
können, ohne sich selbst zu gefährden, dort im Nebenraum stehend, auf die
Monitore starrend, fassungslos ob des Geschehens.
    Der Stein bricht, die Glocke fällt auseinander, mein
behelmter Kopf steigt hoch, meine Augen - tausendfach verzahntes Räderwerk - schlucken
das Licht. Und in diesem Licht steckt das Bild des Raums, in dem ich mich
befinde. Ein viel zu niedriger Raum. Ich stoße mit dem Kopf gegen die Decke.
Weißer Staub rieselt herunter auf meine Rüstung. In meine Muskeln sickert
Blut. Altes Blut, so alt wie die Welt. Ich schwinge mein Schwert und
zerschneide die Wände gleich Papier. Nur damit die im Nebenraum Angst bekommen.
Ja, ihre Angst strömt herüber zu mir wie ein gar strenger Geruch. Doch ... da
ist etwas in ihrer Angst, in diesem Gestank von Angst, das mich irritiert. Denn
die Angst gilt nicht mir, sie gilt der Bombe. Ich spüre es jetzt deutlich. Die
Bombe wurde aktiviert. Und da ist keiner, der das zurücknehmen kann. Ich halte
inne, schaue auf die schwarze Kiste zwischen den Scherben aus Beton, auf das
grüne Licht, das soeben zu blinken aufgehört hat.
    Drei, zwei,...
    Ich werfe mich gegen die Wand, hinter der die in ihrer
Angst eingefrorenen Menschen stehen, durchstoße das Mauerwerk.
    In all dem Lärm, den ich verursache, vernehme ich ein
kleines Geräusch, ein winziges Seufzen. Einen Moment meine ich - während ich
die Wand umwerfe und die Menschen unter mir begrabe -, dieses Seufzen, dieser
feine, weiche Ton stamme von meinem ungeborenen Kind. So wie Babys seufzen,
kurz bevor sie in den Schlaf sinken und dabei das Leben abschütteln. Aber es
ist nicht mein Kind, das hier seufzt, es ist die Bombe. In diesem kurzen,
zarten Klang scheint der Sprengkörper für einen Sekundenbruchteil zu ermüden,
um sich sogleich mit einer gewaltigen Welle nach allen Seiten auszubreiten:
maßlos, seelenlos, weder Mensch noch Maschine, sondern pure unbändige Natur.
    Da erreicht mich die Welle, ich spüre die Hitze des
Feuers. Ich lasse Schwert und Lanze fallen und falte die Hände über meinem
Bauch. Und bin jetzt nur noch eine Mutter."
    Wolf Mach, der Mann auf dem Seil, der Österreicher als
lebendes Denkmal, hatte dadurch überrascht, daß er sich weder von eben diesem
Seil herunterschießen ließ noch Opfer einer Böe wurde, auch nicht etwa in
seinem kleinen, hängenden Zelt in ein Koma verfiel, sondern an einem der
letzten warmen Tage des Jahres wie immer in Richtung Mercedesstern balanciert
war, dann aber zur Überraschung aller die obligate Wende unterlassen hatte und
statt dessen bis zur Brüstung gegangen war, wo er sich mit einem nachsichtigen
Lächeln der Obhut der Polizeiorgane übergab. Hernach war er eingehend befragt
und medizinisch untersucht worden, selbstredend auch psychologisch, hatte
nicht ohne Amüsement eine Strafanzeige entgegengenommen und in der Folge eine
lange Reihe von Interviews gegeben, in denen er das Ende seiner Unternehmung
damit begründete, er habe den Übertreibungen des S-21-Projekts nicht eine
eigene Übertreibung entgegensetzen wollen. Denn von einem Seil nie wieder herunterzusteigen wäre eine solche Übertreibung gewesen.
    Das hatte recht vernünftig, ja weise geklungen.
Verwirrender war dann gewesen, als Mach behauptet hatte, über Aufnahmen einer
Maschine zu verfügen, die angeblich in der Erde des Schloßgartens steckte.
Auch noch einer schwangeren Maschine, worunter man sich nun
wirklich gar nichts mehr vorstellen konnte. Weshalb leider doch noch der
Verdacht aufkam, dieser Österreicher sei nicht ganz richtig im Kopf, zumal er
diese Dokumente nie vorlegte.
     
    Allerdings sollten Machs Behauptungen eine gewisse Bedeutung
erlangen, als man im Zuge von Grabungsarbeiten einen schockierenden
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