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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich
Autoren: Wo die Löwen weinen
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"Gerade der Zustand
von Klarheit, der seit den Stuttgarter Erlebnissen meine Gedanken beherrscht,
stößt im geschützten, weltfernen Umfeld einer solchen Irrenanstalt auf die
besten äußeren Bedingungen. An diesem schönen Ort, inspiriert vom
oberschwäbischen Barock, werde ich eine Chronik der Ereignisse verfassen."
     
    Daß es sich bei Alicia Kingsley tatsächlich
um eine Tochter Uhls handelte, kann natürlich bezweifelt werden. Ebenso
denkbar wäre, daß die der perfekten dramatischen Inszenierung anhängende
Kingsley (mit ihrer wahrlich haarsträubenden Story) eine theatralische Wendung
hatte ins Spiel bringen wollen, eine Enthüllung in der Art eines Deus ex
machina. Allerdings war auch nicht von der Hand zu weisen, daß sie dies alles
in ihrer eigentlichen Funktion als göttliche Botin getan hatte. Denn diese
Frau von "polarer Schönheit" hätte in Abwandlung eines
Shakespeareschen Zitats jederzeit sagen können: If not an angel, how can I be
Kingsley?
     
    Selbige Vermutung muß freilich zu der Annahme führen, daß
auch Felix Palatin aus der himmlischen Hierarchie
stammte, aber wohl eher einer von denen war, die im Zuge ihres Sturzes sich auf
die Seite Luzifers geschlagen hatten.
    Somit lastete auf beiden Engeln ein Mord: Kingsley hatte
Fabian getötet, während Palatin im Auftrag der Stadt Stuttgart den Befehl gegeben
hatte, eine schlafende Kriegerin in die Luft zu sprengen. Was zu der Frage
führt: Gibt es einen Unterschied zwischen guten und schlechten Morden? Wie man
das auch beantworten mag, Tatsache ist jedenfalls, daß sowohl Kingsley als auch
Palatin zu denen in dieser Geschichte zählten, die von einem auf den anderen
Moment verschwunden waren. Zudem spricht einiges dafür, daß die beiden einige
Zeit später - unter anderen Namen und leicht veränderten Gesichtszügen, aber
unverkennbar in ihrem Auftreten - einen politischen Konflikt in Rußland
begleiteten und auch dort interessante Interventionen vornahmen.
     
    Teska Landau hingegen verschwand nicht, blieb
als Person jedoch im Hintergrund, bewahrte das Fotomaterial auf und lieferte
der Presse einige Abzüge, was dann aber eher zur Verwirrung als zur Klärung
beitrug. Eine Verwirrung, die nichts daran änderte, daß die weibliche Leiche
aus dem Schloßgarten die Öffentlichkeit stark beschäftigte. Man wollte wissen,
was genau hier geschehen war. Und hörte einfach nicht auf, Fragen zu stellen.
Die Tote, deren Identität niemals festgestellt wurde, erhielt von den Menschen
einen Namen: Schwäbische Madonna. Das mochte
so manchem übertrieben erscheinen, und nicht wenige christliche Politiker
erregten sich, daß nun nicht nur die Begriffe "Montagsdemonstration",
"Wir sind das Volk" oder "Platz des Himmlischen Friedens"
mißbraucht würden, sondern auch das Bild der Gottesmutter mit ihrem Kind. Zumal
es sich bei diesem toten Mädchen nur um irgendeine Streunerin gehandelt habe,
die aus lauter Dummheit in das Erdloch gestiegen war. Doch da konnten sich die
Politiker aufregen, soviel sie wollten, der Name war nun mal in die Welt
gekommen und nicht wieder aus dieser herauszukriegen. Die Schwäbische Madonna
setzte sich durch.
    Und noch etwas: Teska Landau sollte zwei Jahrzehnte später
zur ersten Stuttgarter Polizeipräsidentin berufen werden. - Wunder gibt es
immer wieder.
     
    Und was es ebenfalls immer wieder gibt, sind Hunde mit
langen Ohren und kurzen Beinen, die nicht bellen und nicht mit dem Schwanz
wedeln. Anscheinend herrenlos. Und dann sind da auch noch herrenlos dastehende
Schirme. Wohl dem, der solche Hunde an seiner Seite weiß und solche Schirme
über seinem Haupt.
     
    Diese Geschichte ist selbstverständlich eine wahre
Geschichte. Orte wie Stuttgart existieren überall.
     
    Der Autor in eigener Sache -
ausnahmsweise
     
    Schriftsteller sind, abgesehen von Politikern, die besten
Lügner, von ihnen kann man am meisten lernen.
    Walter Moers, Die 13 ½ Leben des Käpt'n Blaubär
     
    Wieder versuchen.
    Wieder scheitern.
    Besser scheitern.
    Samuel Beckett in dem Roman Worstward Ho (deutsch: Aufs Schlimmste zu)
     
    Das Bemerkenswerte in unserer Welt ist, wie viele Gläubige
es gibt und wie wenig Glauben. Wenigstens ernsthaften Glauben. Angesichts
dessen, was geschieht, müßte es doch viel mehr jubilierende Zyniker geben, die
die Welt als Sandkiste begreifen, und nichts, was jenseits dieses Sandes wäre.
Viel mehr Personen wie jener Mandatar, welcher selten aufrichtig äußerte, von
ihm aus könne Stuttgart 21 auch Billionen kosten. Was
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