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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich
Autoren: Wo die Löwen weinen
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aussehen wie
auf expressionistischen Gemälden.
    "Wenn ich mit Ihnen rede", begann Uhl mit
Vorsicht in der Stimme, "wie sehr kann ich mich darauf verlassen, daß Sie
kein Unglück über mich und meine Familie bringen?"
    "Das Unglück ist doch schon da, Herr Uhl. Und es geht
nicht fort, indem Sie mich rauswerfen. Ich kann das Unglück sehen. In Ihrem
Gesicht. An Ihren Händen. An der Art, wie Sie Ihr Glas halten."
    Der solcherart Durchschaute blickte zur Seite. Dann atmete
er tief ein und führte am eintretenden Luftstrom vorbei seine Worte. Leise,
zögerlich zuerst, als sei viel zuviel Luft im eigenen Mund, allmählich aber
hörbarer und deutlicher. Es stimme, sagte er, in der Tat habe er einen Anruf
erhalten. Ein Mann, der seinen Namen nicht genannt habe, hätte erklärt, dem
Jungen gehe es gut. "Sie können sich denken, daß ich sofort gefragt habe,
wie das zu verstehen sei. Wieso gut? Ich dachte an einen Unfall."
    Indes sei ihm rasch klar geworden, wie der Anrufer es
meine, als dieser sagte, dem "kleinen Martin" wäre nichts Schlimmes
zugestoßen, aber doch Schlimmes genug, um sich gut vorzustellen, wie schlimm
es noch werden könnte. Um dann anzufügen: "Hätte ich ein solch schönes
Haus wie Sie, Professor, eine solche Frau, ein solches Kind, keine Sorgen weit
und breit, ich würde aufpassen, daß es dabei bleibt. Ich würde nicht den Helden
spielen. Klar, es gibt geborene Helden. Aber ... sind Sie einer?
Können Sie Schmerzen aushalten? Opfer bringen? Ich glaube nicht. Als Held sind
Sie Amateur. Ich rate Ihnen, halten Sie Ihren Mund. Die Maschine geht Sie
nichts an. Vergessen Sie alles, was damit zusammenhängt. Verstanden?"
    "Ich habe geschworen", fuhr Uhl fort, "verstanden
zu haben. Natürlich habe ich das! Doch dann hat der Kerl plötzlich begonnen,
englisch zu sprechen."
    "War das seine Muttersprache?"
    "Nein, nein, er war eindeutig Deutscher,
Türkischdeutscher, unverkennbar."
    "Und was hat er da auf englisch gesagt?"
    "Nur zwei Sätze. Klang so, als würde er jemanden
zitieren, ungefähr so: ,You will hear me one more time, if you do good. You
will hear me two more times, if you do bad.' Dann hat
er aufgelegt. Können Sie damit etwas anfangen?"
    "Eigentlich nicht", antwortete Rosenblüt. Aber
das stimmte nicht. Statt jedoch seine Ahnung preiszugeben, fragte er: "Der
Anrufer hat von einer ,Maschine' gesprochen. Was für eine Maschine denn?"
    Doch Uhl verweigerte sich. Er sagte: "Hören Sie, Herr
Rosenblüt, ich habe Ihnen von diesem Anruf erzählt, damit Sie aufhören, mich zu
bedrängen. Gut, Sie wissen jetzt, daß hinter alldem mehr steckt als ein bloßer
Raubüberfall. Es geht um meine Familie. Es gibt Leute - und ich habe keine
Ahnung, wer diese Leute sind -, die darauf bestehen, daß ich in einer
bestimmten Sache meinen Mund halte. Also werde ich ihn halten. Kein Wort über
die Maschine. Da können Sie mich foltern, soviel Sie wollen. Ich habe Ihnen das
nur erzählt, weil mir klar war, daß Sie keine Ruhe geben werden. Und daß es
schlecht für mich ist, wenn hier jeden Tag ein anderer Polizist auftaucht und
Fragen stellt. Ich hoffe, Sie begreifen nun, wie ernst es ist. Ich bin jetzt
nicht nur in der Hand von diesen Leuten, sondern auch in Ihrer Hand, Herr
Kommissar Rosenblüt."
    "Das sehe ich und werde mich danach richten. Trotzdem
wäre es gut, wüßte ich, worum sich alles dreht. Beim Begriff Maschine tauchen
in meinem Kopf verwirrend viele Eintragungen auf."
    "Kein Wort darüber. Begreifen Sie doch. Ich weiß ja
nicht einmal, ob wir vielleicht abgehört werden."
    "Von wem denn, bitte schön?"
    "Von denen, von Ihnen, von jemand Drittem, was weiß
ich. Das einzige, was für mich zählt, ist, daß meinem Jungen nie wieder etwas
Derartiges zustößt. Stellen Sie sich vor, er hat wirklich geglaubt, diese Kerle
würden ihm seinen Penis abschneiden! In jedem Alter wäre das ein Schock. Aber
wenn einer fünfzehn ist, kann ihn so eine Angst ruinieren. - Ganz offen
gesprochen: Ich pfeife auf Recht oder Unrecht. Ich will nur meinen Sohn
schützen. - Können Sie ihn denn
schützen, meinen Sohn? Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie können das!"
    "Also gut", gab sich Rosenblüt geschlagen und
trank sein Glas in der Manier jener aus, die sich viel mehr vor dem gern
unterschätzten Schluck-zu-wenig fürchten als dem oft zitierten Schluck-zu-viel.
Er erhob sich, trat kurz an die hohe Scheibe und schaute auf den gepflegten
Garten und den mietpreiserhöhenden Springbrunnen. Dann wandte er sich um und
folgte Uhl aus
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