Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staubige Hölle

Staubige Hölle

Titel: Staubige Hölle
Autoren: Roger Smith
Vom Netzwerk:
im Staub gefunden hatte. Sie hatte nicht gewusst, was es war, dieses flache, kleine blaue Rechteck ohne Knöpfe und Schalter, als sie es unter ihrer Kleidung versteckt in die Hütte ihrer Tante mitgenommen hatte. Es hatte so sauber und hübsch ausgesehen. Wie ein Gegenstand aus einer fernen und besseren Welt.
    Sie hatte es versteckt, bis der ernste junge AIDS -Berater aus Durban ins Tal gekommen war. Sipho mit seinem ICH BIN POSITIV -T-Shirt war nur ein paar Jahre älter als Sunday, aber er kam aus der Stadt und hätte genauso gut von einem anderen Planeten kommen können. Er sagte, man nannte es iPod. Er hatte ihr gezeigt, wie man ihn benutzt. Lachte, als sie die Kopfhörer in die Ohren steckte und lärmende Musik des weißen Mannes heraus pulsierte.
    Sipho hatte ihr gesagt, dass die Batterie des Geräts sich leeren würde, sofern man sie nicht an einem Computer auflud. Wo sollte sie denn einen Computer finden? Es gab in ihrem Dorf keine Elektrizität, von einem Computer ganz zu schweigen. Sie benutzte ein Kurbelradio und hörte knisternde Zulu-Chormusik, die aus Durban gesendet wurde. An einem guten Tag, wenn das Wetter mitspielte, hörte sie vielleicht sogar afrikanische Popmusik.
    Sipho ging wieder und ließ ihr Safer Sex-Broschüren auf Englisch da, die sie nicht lesen konnte, sowie in Silberfolie verpackte Kondome. Ihre Tante fand die Kondome und schlug Sunday, auch wenn das Mädchen gar nicht wirklich verstanden hatte, wozu die eigentlich da waren.
    Der blaue Musikspieler ging kaputt, genau wie Sipho gesagt hatte. Aber sie hatte ihn trotzdem anbehalten, als eine Art Amulett. Tat so, als könne sie aus den weißen Kopfhörern Musik hören. Eine Erinnerung an ein besseres Leben.
    Sunday ging zu dem Ring der aus Schilf erbauten Rundhütten im traditionellen Stil der Zulu. Hier lebte niemand. Diese Hütten waren Teil eines Museums-Dorfs. Kleine Reisebusse brachten jeden Tag aus Durban Busladungen bleichgesichtiger Touristen, die Richards Version der Zulu-Geschichte lauschten. Sunday und die anderen Mitarbeiter kamen aus den einige Meilen entfernt liegenden Baracken, die sich an den steinigen Berghängen in dem ländlichen Ghetto erhoben.
    Sunday verschwand in der Hütte, in der sie ihre Kleidung gelassen hatte. Spürte, wie es sich in ihr zusammenzog, als sie ihre Tante auf dem gestampften Boden sitzen sah, wo sie eine Tüte Chips aß und mit ihrer knochigen Hand Fliegen verjagte. Sunday hatte gebetet, sie würde nicht kommen. Aber hier war sie.
    Â»Du bist spät dran, Sonto.« Nannte sie bei ihrem Zulu-Namen, der Name auf ihrer Geburtsurkunde. Ihre Mutter hatte immer das englische Wort Sunday benutzt, und sie hatte daran festgehalten. Es war alles, was Sunday von ihrer seit über zehn Jahren toten Mutter geblieben war.
    Â»Tut mir leid, Ma Beauty.« Wie immer strengte Sunday sich an, eine Ähnlichkeit zu finden zwischen dieser Frau, vertrocknet wie eine Baumwurzel, und ihrer Schwester, der engelgleichen Mutter ihrer Erinnerung.
    Sunday streifte den Rock aus Perlenschnüren ab. Zog ein weißes T-Shirt über und griff nach ihrer No-name-Jeans an einem billigen Drahtkleiderbügel, der in einem Loch in der Wand der Hütte steckte. Ihre Tante kramte in einer Tüte und zog den kurzen grauen Faltenrock heraus, den Sunday früher zur Schule getragen hatte. Bevor das abblätternde Asbestgebäude mit seinen zerbrochenen Scheiben und dem undichten Dach einem Buschfeuer im Weg gestanden hatte und von den Flammen verzehrt worden war.
    Â»Zieh das hier an«, sagte ihre Tante. »Das macht es für den Inspektor einfacher.«
    Sunday gehorchte, zog den Rock über ihre schmalen Hüften hoch und roch den Rauch eines anderen Feuers, vor langer Zeit. Als sie an der hässlichen Frau vorbeistarrte, war ihr Kopf voller Erinnerungen.
    Â»Hey, Mädchen, hör auf zu träumen! Beweg dich.« Die Stimme ihrer Tante holte sie zurück. »Was ist los mit dir?«
    Â»Nichts, Ma.«
    Die magere Frau sah sie mürrisch von unten an. »Bist du beschädigt, du?«
    Â»Nein, Ma. Ich schwöre, ich bin nicht beschädigt.«
    Â»Du! Falls der Inspektor feststellt, dass du beschädigt bist, bringe ich dich um, das schwöre ich!«
    Sunday schüttelte den Kopf, schob die Füße in weiße Tennisschuhe ohne Schnürsenkel. Neben der Tür blieb sie stehen und wartete darauf, dass ihre Tante aufstand.
    Â»Wo sind
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher