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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Zucker zu seinem Kaffee genommen, und Sie haben Mr. Urquharts und Mr. Vaughans Aussagen gehört, wonach er seinen Kaffee nach dem Essen immer schwarz und ungesüßt trank.
    Laut Aussage der Angeklagten verlief das Gespräch nicht erfreulich. Auf beiden Seiten wurden Vorwürfe erhoben, und gegen zehn Uhr äußerte Boyes die Absicht, nach Hause zu gehen. Sie sagt, er habe unruhig gewirkt und gemeint, er fühle sich nicht recht wohl, was er darauf schob, daß ihr Verhalten ihn sehr erregt habe.
    Um zehn Minuten nach zehn – und ich möchte, daß Sie sich die Zeiten sehr genau merken – wurde der Taxifahrer Burke, der in der Guilford Street in der Reihe stand, von Philip Boyes angesprochen und gebeten, ihn zum Woburn Square zu fahren. Er sagt, Boyes habe schnell und abgehackt gesprochen, wie jemand, der seelisch oder körperlich leidet. Als das Taxi vor Mr. Urquharts Haus anhielt, stieg Boyes nicht aus, und Burke öffnete die Tür, um nachzusehen, was los war. Er fand Boyes in einer Ecke zusammengekauert, die Hand auf den Bauch gepreßt, blaß im Gesicht und schweißbedeckt. Er fragte ihn, ob er krank sei, und Boyes antwortete: ›Ja, scheußlich.‹ Burke half ihm aus dem Wagen, läutete und stützte ihn mit einem Arm, während sie vor der Tür standen. Hannah Westlock öffnete. Philip Boyes schien kaum noch aus eigener Kraft gehen zu können; sein Körper war fast zu einer Kugel gekrümmt, und er ließ sich stöhnend auf einen Stuhl in der Diele sinken und bat um einen Kognak. Sie brachte ihm einen kräftigen Schluck mit Soda aus dem Eßzimmer, und nachdem Boyes den getrunken hatte, kam er soweit wieder zu sich, daß er Geld aus seiner Tasche nehmen und den Taxifahrer bezahlen konnte.
    Da er aber noch immer einen sehr kranken Eindruck machte, rief Hannah Westlock Mr. Urquhart aus der Bibliothek. Er sagte zu Boyes: ›He, Alter – was ist denn mit dir los?‹ Boyes antwortete: ›Weiß der Himmel! Ich fühle mich entsetzlich. Aber das Huhn kann’s doch nicht gewesen sein.‹ Mr. Urquhart sagte, das wolle er gewiß nicht hoffen, ihm sei jedenfalls nichts daran aufgefallen, und Boyes antwortete, nein, es sei wahrscheinlich einer seiner üblichen Anfälle, aber so schrecklich habe er sich noch nie gefühlt. Man brachte ihn zu Bett und rief telefonisch Dr. Grainger als den nächsten erreichbaren Arzt herbei.
    Ehe der Arzt kam, übergab der Patient sich heftig, und von da an übergab es sich immer wieder. Dr. Grainger schloß auf eine schwere Gastritis. Der Patient hatte hohes Fieber, jagenden Puls und einen sehr druckempfindlichen Leib, aber der Arzt fand nichts, was auf eine Blinddarm- oder Bauchfellentzündung hingewiesen hätte. Er kehrte darum in seine Praxis zurück und bereitete ein Mittel zu, das den Magen beruhigen und das Erbrechen unter Kontrolle bringen sollte – ein Gemisch aus Kaliumbikarbonat, Orangenextrakt und Chloroform – keine sonstigen Medikamente.
    Am Tag darauf ging das Erbrechen weiter, und Dr. Weare wurde herbeigezogen, um sich mit Dr. Grainger zu beraten, da er mit der Konstitution des Patienten vertraut war.«
    Hier hielt der Richter inne und schaute auf die Uhr.
    »Die Zeit schreitet voran, und da wir die ärztlichen Gutachten noch zu behandeln haben, vertage ich die Sitzung bis nach dem Mittagessen.«
    »Sieht ihm ähnlich«, meinte der Ehrenwerte Freddy. »Gerade jetzt, nachdem allen gründlich der Appetit vergangen ist. Komm, Wimsey, wir schieben uns ein Kotelett zwischen die Rippen. – He!«
    Wimsey hatte sich an ihm vorbeigeschoben, ohne ihn zu beachten, und ging weiter ins Innere des Gerichtsgebäudes, wo Sir Impey Biggs stand und sich mit seinen jüngeren Kollegen beriet.
    »Steht wieder mal ganz schön unter Dampf«, meinte Mr. Arbuthnot nachdenklich. »Sicher hat er wieder eine alternative Theorie zu dem Fall. Wieso bin ich mir dieses blöde Theater überhaupt ansehen gekommen? So was von langweilig, und die Frau ist nicht mal hübsch. Ob ich nach der Fütterung wiederkomme, weiß ich noch nicht.«
    Er drängte sich hinaus und sah sich Aug in Auge mit der Herzoginwitwe von Denver.
    »Kommen Sie mit mir essen, Herzogin?« fragte Freddy hoffnungsvoll. Er mochte die Herzogin.
    »Danke, Freddy, aber ich warte auf Peter. So ein interessanter Fall, und so interessante Leute dazu, meinen Sie nicht? Was die Geschworenen allerdings daraus machen werden, weiß man nicht – lauter Schafsgesichter, die meisten, bis auf diesen Künstler, der ohne die schreckliche Krawatte und den
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