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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Bart wahrscheinlich gar kein Gesicht hätte – sieht aus wie Jesus, aber nicht wie der richtige, sondern ein italienischer mit rosa Jäckchen und so einem blauen Ding auf dem Kopf. Ist das nicht Peters Miss Climpson, da bei den Geschworenen? Ich frage mich ja nur, wie sie hierher kommt.«
    »Er hat sie, glaub ich, hier in der Nähe in ein Haus gesetzt«, meinte Freddy, »mit einem Schreibbüro, um das sie sich kümmern soll, und darüber wohnt sie und macht diesen ganzen Wohltätigkeitskram für ihn. Eine ulkige Nudel, nicht? Wie aus einem Modejournal der Neunziger. Aber für seine Zwecke scheint sie genau richtig zu sein.«
    »Ja – und so eine gute Sache, auf alle diese zwielichtigen Anzeigen zu antworten und die Leute dann auffliegen zu lassen, und so mutig, wo das doch zum Teil die schmierigsten Typen sind, womöglich sogar Mörder, mit Pistolen und Totschlägern in allen Taschen, und daheim einen Gasofen voller Knochen wie dieser Landru, der war ja schlau, nicht wahr? Und solche Frauen auch noch – geborene Mordopfer, wie einer mal ganz schamlos gesagt hat, obwohl sie das natürlich nicht verdient hatten, und wahrscheinlich wurden ihnen nicht einmal die Fotos gerecht, den armen Dingern.«
    Freddy fand, daß die Herzogin heute noch ärger schwafelte als sonst, und dabei wanderte ihr Blick mit einer Besorgnis, die ungewöhnlich an ihr war, immer wieder zu ihrem Sohn.
    »Richtig prima, den alten Wimsey wieder in seinem Fahrwasser zu sehen, wie?« meinte er, nur um etwas Nettes zu sagen. »Ist doch wunderbar, wie er hinter so was her ist. Kaum ist er wieder daheim, schon stampft er los wie ein altes Schlachtroß, das Pulverdampf riecht. Er steckt schon wieder bis über beide Ohren drin.«
    »Nun ja, es ist einer von Chefinspektor Parkers Fällen, und die beiden sind doch so gute Freunde, ganz wie David und Beerseba – oder meine ich Daniel?«
    In diesem kniffligen Moment kam Wimsey zu ihnen und nahm den Arm seiner Mutter zärtlich unter den seinen.
    »Tut mir schrecklich leid, daß ich dich habe warten lassen, Mater, aber ich mußte ein Wörtchen mit Biggy reden. Er hat einen denkbar schlechten Stand, und dieser alte Jeffreys von einem Richter macht ein Gesicht, als wenn er sich doch noch die schwarze Kappe anmessen lassen wollte. Ich geh nach Hause und verbrenne meine sämtlichen Bücher. Es ist gefährlich, allzuviel über Gifte zu wissen, nicht? Sei so keusch wie Eis, so rein wie Schnee, du wirst dem Old Bailey nicht entgehen.«
    »Die junge Frau scheint dieses Rezept nicht ausprobiert zu haben«, bemerkte Freddy.
    »Du solltest auf der Geschworenenbank sitzen«, gab Wimsey ungewohnt bissig zurück. »Ich wette, das sagen sie alle in dieser Sekunde auch. Dieser Vorsitzende ist garantiert Temperenzler – eben habe ich gesehen, wie man Ingwerbier ins Geschworenenzimmer gebracht hat; kann nur hoffen, daß das Zeug explodiert und ihm die Eingeweide durch die Schädeldecke jagt.«
    »Schon gut, schon gut«, versuchte Mr. Arbuthnot ihn zu beschwichtigen. »Was du brauchst, ist was zu trinken.«

2. Kapitel
    Das Gerangel um Plätze flaute ab; die Geschworenen kehrten zurück; plötzlich war auch die Angeklagte wieder da, wie aus dem Kasten gezaubert; der Richter nahm wieder seinen Sitz ein. Von den roten Rosen waren ein paar Blütenblätter abgefallen. Die alte Stimme nahm den Faden wieder da auf, wo sie geendet hatte.
    »Meine Damen und Herren Geschworenen – ich glaube, ich brauche Ihnen den Verlauf von Philip Boyes’ Krankheit nicht in allen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen. Am 21. Juni wurde die Krankenschwester gerufen, und im Verlaufe dieses Tages besuchten die Ärzte den Patienten dreimal. Sein Zustand verschlimmerte sich stetig. Erbrechen und Durchfall waren so hartnäckig, daß er weder Speisen noch Medikamente bei sich behielt. Am Tag darauf, dem 22. Juni, wurde sein Zustand noch schlimmer – er hatte starke Schmerzen, sein Puls wurde schwächer, und um den Mund begann seine Haut auszutrocknen und sich abzuschälen. Die Arzte bemühten sich sehr um ihn, aber sie konnten nichts für ihn tun. Sein Vater wurde gerufen, und als er kam, traf er seinen Sohn bei Bewußtsein an, aber außerstande, sich zu erheben. Er konnte jedoch sprechen, und in Gegenwart seines Vaters und Schwester Williams’ sagte er die Worte: ›Es geht zu Ende mit mir, Vater, und ich bin froh, daß ich es hinter mir habe. Harriet ist mich jetzt los – ich wußte nicht, daß sie mich so sehr haßt.‹ Diese Worte geben zu
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