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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift
Autoren: Dorothy L. Sayers
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unterscheiden sind.
    Als dies Mr. Vaughan mitgeteilt wurde, fühlte er sich in seinem Verdacht bestätigt und schrieb an Mr. Boyes senior, damit dieser der Sache nachgehe. Mr. Boyes war natürlich schockiert und sagte sofort, der Fall müsse untersucht werden. Er hatte von der Liaison mit Harriet Vane gewußt, und ihm war aufgefallen, daß sie sich gar nicht nach Philip Boyes erkundigt hatte und nicht einmal zur Beerdigung gekommen war, was ihm herzlos erschien. Am Ende wurde die Polizei eingeschaltet und eine Exhumierung verfügt.
    Sie haben das Ergebnis der Analyse vernommen, die von Sir James Lubbock und Mr. Stephen Fordyce gemacht wurde. Es wurde hier sehr viel über Analysemethoden und das Verhalten von Arsen im Körper und so weiter diskutiert, aber ich glaube, mit diesen Details brauchen wir uns nicht allzusehr abzugeben. Die Hauptpunkte des Gutachtens scheinen mir folgende zu sein, die Sie sich, wenn Sie wollen, notieren mögen.
    Die Analytiker entnahmen der Leiche bestimmte Organe – Magen, Därme, Nieren, Leber und so weiter –, analysierten Teile davon und stellten fest, daß sie alle Arsen enthielten. Sie konnten das in diesen verschiedenen Teilen gefundene Arsen wiegen und daraus die Menge berechnen, die sich im ganzen Körper befand. Dann mußten sie die Menge Arsen berücksichtigen, die bereits aus dem Körper ausgeschieden worden war, infolge Erbrechens und Durchfalls, und auch durch die Nieren, denn die Nieren spielen beim Abbau gerade dieses Giftes eine sehr große Rolle. Unter Berücksichtigung aller dieser Faktoren kamen sie zu dem Schluß, daß Philip Boyes etwa drei Tage vor seinem Tod eine große, tödliche Dosis Arsen – ein viertel bis ein drittel Gramm vielleicht – zu sich genommen hatte.
    Ich weiß nicht, ob Sie allen technischen Argumenten in dieser Frage ganz folgen konnten. Ich will versuchen, Ihnen die wichtigsten Punkte so wiederzugeben, wie ich sie verstanden habe. Es liegt in der Natur des Arsens, daß es den Körper sehr schnell passiert, besonders wenn es während oder unmittelbar nach einer Mahlzeit genommen wird, da es die Schleimhäute der inneren Organe reizt und den Prozeß des Ausscheidens beschleunigt. Noch schneller ginge es, wenn das Arsen in flüssiger Form und nicht als Pulver eingenommen würde. Wird Arsen beim oder unmittelbar nach dem Essen genommen, so scheidet es der Körper binnen vierundzwanzig Stunden nach Beginn der Krankheit nahezu vollständig aus. Die bloße Tatsache, daß nach drei Tagen ständigen Durchfalls und Erbrechens überhaupt noch Arsen im Körper gefunden wurde, auch wenn die Menge Ihnen und mir noch so klein vorkommen mag, zeigt also, daß zum fraglichen Zeitpunkt eine große Dosis davon eingenommen worden sein muß.
    Nun wurde sehr viel über den Zeitpunkt des Beginns der ersten Symptome gesprochen. Von der Verteidigung wird angeführt, daß Philip Boyes das Gift selbst eingenommen haben könne, nachdem er Harriet Vanes Wohnung verlassen und bevor er in der Guilford Street das Taxi genommen habe; es wurden uns Bücher vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß in vielen Fällen die Symptome sehr kurz nach Einnahme des Arsens einsetzen – eine Viertelstunde war, glaube ich, die kürzeste genannte Zeit, wenn das Arsen in flüssiger Form genommen wurde. Nun hat Philip Boyes nach Aussage der Angeklagten – und eine andere haben wir nicht – ihre Wohnung um zehn Uhr verlassen, und um zehn nach zehn war er in der Guilford Street. Da sah er bereits krank aus. Lange kann die Fahrt zum Woburn Square um diese Abendstunde nicht gedauert haben, und als er dort ankam, hatte er schon akute Schmerzen und war kaum noch fähig, zu stehen. Nun befindet sich die Guilford Street sehr nah bei der Doughty Street – es sind vielleicht drei Minuten zu gehen –, und Sie müssen sich fragen, was er, wenn die Aussage der Angeklagten stimmt, in diesen zehn Minuten gemacht hat. Hat er die Zeit damit verbracht, ein stilles Plätzchen aufzusuchen und Arsen zu nehmen, das er in diesem Falle in Vorahnung eines unerfreulichen Ausgangs des Gesprächs mit der Angeklagten bereits bei sich gehabt haben müßte? Und ich darf Sie hier daran erinnern, daß die Verteidigung keinen Beweis vorgebracht hat, wonach Philip Boyes jemals Arsen gekauft oder Zugang dazu gehabt hätte. Das soll nicht heißen, daß er sich keines habe beschaffen können – die Käufe, die Harriet Vane getätigt hat, zeigen, daß unsere Gesetze über den Verkauf von Giften nicht immer den Erfolg haben, den
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