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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift
Autoren: Dorothy L. Sayers
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würde ich jetzt keine Gewalt anwenden. Giftmischer, bleib bei deinen Pülverchen. Außerdem bin ich bewaffnet. Entschuldigen Sie die Operettenszene. Wird Ihnen nun endlich schlecht oder nicht?«
    »Sie sind wahnsinnig.«
    »Sagen Sie das nicht. Los, Mann – reißen Sie sich zusammen. Frisch gewagt ist halb gewonnen. Soll ich Ihnen den Weg zum Bad zeigen?«
    »Mir ist so elend.«
    »Natürlich; es klingt nur nicht sehr überzeugend. Durch die Tür, den Flur entlang, dann dritte Tür links.«
    Der Anwalt taumelte hinaus. Wimsey ging in die Bibliothek und läutete.
    »Ich glaube, Bunter, Mr. Parker könnte im Bad ein wenig Hilfe brauchen.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    Bunter ging, und Wimsey wartete. Bald hörte man in der Ferne Kampfgeräusche. Eine Gruppe Leute erschien in der Tür – Urquhart, sehr blaß, Haare und Kleidung in Unordnung, flankiert von Parker und Bunter, die ihn an den Armen festhielten.
    »Hat er sich übergeben?« fragte Wimsey interessiert.
    »Nein«, sagte Parker mit grimmigem Gesicht, indem er seinem Opfer Handschellen anlegte. »Er hat fünf Minuten lang auf dich geschimpft, ohne Luft zu holen, dann wollte er zum Fenster hinaus, sah, daß es drei Stockwerke hinunterging, ist dann durchs Ankleidezimmer gerannt und mir genau in die Arme. Nun zappeln Sie nicht so, mein Junge, Sie tun sich nur weh.«
    »Und er weiß noch immer nicht, ob er vergiftet ist oder nicht?«
    »Er scheint es nicht anzunehmen. Jedenfalls hat er nichts dagegen getan. Sein einziger Gedanke war Flucht.«
    »Schwach«, meinte Wimsey. »Wenn ich jemanden glauben machen wollte, ich sei vergiftet, würde ich besser schauspielern.«
    »Halten Sie doch um Gottes willen den Mund«, sagte der Gefangene. »Sie haben mich mit einem hundsgemeinen Trick überführt, reicht Ihnen das nicht? Sie können es jetzt wenigstens für sich behalten.«
    »So«, meinte Parker, »überführt haben wir Sie? Nun, ich habe Sie gewarnt, nicht zu reden, aber wenn Sie unbedingt reden wollen, ist es nicht meine Schuld. Übrigens, Peter, ich nehme nicht an, daß du ihm wirklich Gift gegeben hast, oder? Es scheint ihm zwar nicht geschadet zu haben, aber es würde das ärztliche Gutachten beeinträchtigen.«
    »Nein, das habe ich nicht«, sagte Wimsey. »Ich wollte nur sehen, wie er auf die Behauptung reagiert. Also, gehabt euch wohl! Ich kann das Weitere dir überlassen.«
    »Wir werden uns schon um ihn kümmern«, sagte Parker.
    »Aber du könntest Bunter ein Taxi rufen lassen.«
    Als der Gefangene und sein Begleiter gegangen waren, wandte Wimsey sich nachdenklich an Bunter, das Glas in der Hand.
    » Mithridates starb sehr alt , sagt der Dichter. Aber ich bezweifle es, Bunter. In diesem Fall bezweifle ich es sehr.«

23. Kapitel
    Auf dem Richtertisch standen goldene Chrysanthemen. Sie sahen aus wie lodernde Banner.
    Auch die Angeklagte hatte einen Ausdruck in den Augen, der wie eine Herausforderung an den ganzen vollbesetzten Gerichtssaal wirkte, während der Gerichtsschreiber die Klageschrift verlas. Der Richter, ein dicklicher, älterer Herr mit einem Gesicht wie aus dem vorigen Jahrhundert, sah den Staatsanwalt erwartungsvoll an.
    »Mylord, ich stelle im Namen der Krone fest, daß gegen die Angeklagte keine Beweise vorliegen.«
    Das Luftholen, das durch den Saal ging, klang wie das Rascheln eines aufkommenden Windes in den Baumwipfeln.
    »Habe ich das so zu verstehen, daß die Klage gegen die Untersuchungsgefangene zurückgenommen wird?«
    »So lauten meine Anweisungen, Mylord.«
    »In diesem Falle«, sagte der Richter teilnahmslos und an die Geschworenen gewandt, »bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als auf ›Nicht schuldig‹ zu erkennen. Gerichtsdiener, sorgen Sie für Ruhe auf der Galerie.«
    »Noch einen Augenblick, Mylord.« Sir Impey erhob sich, groß und majestätisch.
    »Im Namen meiner Mandantin – in Miss Vanes Namen, Mylord, bitte ich für ein paar Worte um Eurer Lordschaft Gehör. Gegen Miss Vane wurde ein Vorwurf erhoben, Mylord, der schreckliche Vorwurf des Mordes, und ich möchte völlig klargestellt wissen, Mylord, daß meine Mandantin diesen Gerichtssaal ohne den geringsten Makel verläßt. Soweit ich informiert bin, Mylord, wird hier nicht die Anklage aus Mangel an Beweisen zurückgezogen. Soviel ich weiß, hat die Polizei vielmehr Beweise für die völlige Unschuld meiner Mandantin gefunden. Soviel ich ferner weiß, Mylord, hat eine weitere Verhaftung stattgefunden, der zu gegebener Zeit ein weiterer Prozeß folgen wird. Mylord,
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