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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift
Autoren: Dorothy L. Sayers
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lassen, sozusagen ohne es zur Kenntnis zu nehmen. Irgendwo habe ich gelesen, daß die Leukozyten das alles machen – diese ulkigen kleinen weißen Korpuskeln, nicht wahr? –, die sich gewissermaßen um das Zeug legen und es durchschleusen, so daß es keinen Schaden anrichten kann. Der springende Punkt ist jedenfalls, daß man, wenn man festes Arsen über längere Zeit zu sich nimmt – sagen wir ein Jahr oder so –, eine Dings – eine Immunität entwickelt und bis zu einem halben Gramm auf einmal schlucken kann, ohne die allermindesten Beschwerden.«
    »Sehr interessant«, sagte Mr. Urquhart.
    »Diese niederträchtigen steirischen Bauern machen es offenbar so, aber sie geben gut acht, daß sie etwa zwei Stunden nach der Einnahme nichts trinken, sonst könnte das Zeug in die Nieren gespült und ihnen doch gefährlich werden. Ich fürchte, ich drücke mich nicht sehr fachmännisch aus, aber so ungefähr ist es. Nun, mein Bester, und da ist mir eben eingefallen, daß Sie vielleicht auf die glänzende Idee gekommen sein könnten, sich zuerst selbst zu immunisieren, damit Sie dann leicht ein Arsenomelett mit einem guten Freund teilen konnten, das ihn umbringen, Ihnen aber nicht schaden würde.«
    »Aha.«
    Der Anwalt leckte sich die Lippen.
    »Also, wie gesagt, Sie haben einen schönen klaren Teint – allerdings hat das Arsen, wie ich sehe, da und dort Ihre Haut ein wenig pigmentiert (das kommt manchmal vor); Sie haben dieses glänzende Haar, und dann fiel mir auf, daß Sie beim Essen um keinen Preis etwas trinken wollten. Da habe ich mich gefragt: ›Peter, mein kluger Junge, was hat das zu bedeuten?‹ Und als ich in Ihrem Geheimschrank ein Päckchen weißes Arsen fand – das Wie ist im Augenblick nicht wichtig –, da habe ich gefragt: ›Hoppla, hoppla, wie lange geht das wohl schon so?‹ Wie Ihr netter ausländischer Apotheker der Polizei gesagt hat, schon zwei Jahre, stimmt’s? Das muß also um die Zeit angefangen haben, als der Megatherium Trust zusammenkrachte, richtig? Gut, gut, Sie brauchen mir nichts zu sagen, wenn Sie nicht wollen. Daraufhin haben wir uns ein paar Stückchen von Ihren Haaren und Fingernägeln besorgt, und – sie strotzten vor Arsen! Und da haben wir gesagt: ›Nanu!‹ Sehen Sie, darum habe ich Sie heute zu diesem Plauderstündchen eingeladen. Ich dachte mir nämlich, Sie möchten dazu vielleicht etwas sagen.«
    »Ich kann dazu nur sagen«, sagte Urquhart mit verzerrtem Gesicht, aber streng sachlich im Ton, »daß Sie es sich gut überlegen sollten, bevor Sie jemandem diese lächerliche Theorie unterbreiten. Was Sie und die Polizei – der ich, ehrlich gesagt, alles zutraue – in meinen vier Wänden versteckt haben, weiß ich nicht, aber zu behaupten, ich nähme gewohnheitsmäßig Drogen, ist üble Nachrede und strafbar. Es stimmt durchaus, daß ich eine Zeitlang ein Medikament eingenommen habe, das Spuren von Arsen enthielt – Dr. Grainger kann die Rezepte vorlegen –, und davon mögen durchaus Spuren in meiner Haut und meinen Haaren zurückgeblieben sein, aber darüber hinaus entbehrt Ihre ungeheuerliche Behauptung jeder Grundlage.«
    »Jeder?«
    »Jeder.«
    »Wie kommt es dann«, fragte Wimsey kühl, aber mit einem drohenden Unterton in seiner aufs äußerste beherrschten Stimme, »wie kommt es, daß Sie heute abend ohne ersichtliche Wirkung eine Dosis Arsen zu sich genommen haben, die zwei oder drei normale Menschen umbringen würde? Diese ekelhaften Süßigkeiten, mit denen Sie sich in einer – ich darf sagen – Ihrem Alter und Ihrer Stellung unwürdigen Weise vollgestopft haben, waren über und über mit weißem Arsen bestreut. Sie haben das Zeug, Gott sei Ihnen gnädig, vor anderthalb Stunden gegessen. Wenn Arsen Ihnen schaden könnte, müßten Sie sich seit etwa einer Stunde in Todeskrämpfen winden.«
    »Sie Satan!«
    »Könnten Sie nicht wenigstens versuchen, ein paar Symptome vorzutäuschen?« fragte Wimsey sarkastisch. »Soll ich Ihnen eine Schüssel bringen? Oder den Arzt rufen? Haben Sie ein Brennen in der Kehle? Oder Leibkrämpfe? Es ist zwar schon ziemlich spät, aber mit ein bißchen gutem Willen könnten Sie vielleicht immer noch so tun, als spürten Sie was, selbst jetzt noch.«
    »Sie lügen. Sie würden so etwas niemals wagen! Das wäre Mord!«
    »In Ihrem Falle nicht, glaube ich. Aber ich bin bereit, es darauf ankommen zu lassen.«
    Urquhart stierte ihn an. Wimsey sprang von seinem Sessel hoch und stand mit einem einzigen Satz vor ihm.
    »An Ihrer Stelle
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