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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Wimseys schon immer so gehalten – und es ist auch gut so. Ich kann zwar nicht behaupten, daß ein Blick in den Spiegel mich direkt an Stammvater Gerald de Wimsey erinnert, der schon bei der Belagerung von Akko einen Karrengaul geritten hat, aber ich habe sehr wohl die Absicht, zu heiraten, wen ich will. Wer soll mich daran hindern? Fressen können sie mich nicht. Die kriegen mich nicht klein.«
    Harriet lachte.
    »Nein, ich glaube auch, Sie kriegt so schnell keiner klein. Sie brauchten sich auch mit Ihrer unmöglichen Frau nicht ins Ausland abzusetzen und in obskuren europäischen Bädern ein Leben der Zurückgezogenheit zu führen wie in einem viktorianischen Roman.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Die Leute würden vergessen, daß ich einen Geliebten hatte?«
    »Mein liebes Kind, so etwas vergessen sie alle Tage. Darin sind sie Meister.«
    »Und unter dem Verdacht stand, ihn ermordet zu haben?«
    »Und mit einem triumphalen Freispruch von jedem Verdacht gereinigt wurden, obwohl er sie ziemlich provoziert hat.«
    »Also, ich werde Sie nicht heiraten. Wenn die Leute das alles vergessen können, können sie auch vergessen, daß wir nicht verheiratet sind.«
    »Sehr richtig, die Leute könnten. Aber ich nicht, das ist alles. Wir kommen mit diesem Thema offenbar nicht besonders schnell voran. Jedenfalls verstehe ich Sie so, daß der Gedanke, mit mir zusammenzuleben, Ihnen nicht hoffnungslos zuwider ist?«
    »Aber das ist doch alles so absurd«, protestierte sie. »Wie kann ich sagen, was ich tun oder nicht tun würde, wenn ich frei wäre und sicher sein könnte – am Leben zu bleiben?«
    »Warum nicht? Ich kann mir noch in den unmöglichsten Situationen vorstellen, was ich tun würde – wobei Ihr Freispruch wirklich todsicher ist; ich habe den Tip vom Pferd persönlich.«
    »Ich kann nicht«, sagte Harriet ermattet. »Bitte fragen Sie mich nicht mehr. Ich weiß es nicht. Ich kann nicht denken.
    Ich kann nicht über – über die – die nächsten paar Wochen hinausdenken. Ich möchte nur noch hier herauskommen und in Ruhe gelassen werden.«
    »Gut«, sagte Wimsey, »ich plage Sie nicht mehr. Es ist auch nicht fair. Ein Mißbrauch meiner Vorzugsstellung. Unter den gegebenen Umständen können Sie nicht einfach ›Ekel‹ zu mir sagen und hinausrauschen. Ich gelobe Besserung. Überhaupt, ich werde jetzt selbst hinausrauschen, denn ich habe eine Verabredung – mit einer Maniküre. Nettes kleines Ding, sie spricht nur ein bißchen gebüldet. Addio!«
     
    Die Maniküre, auf die er mit Hilfe Chefinspektor Parkers und seiner Spürhunde gestoßen war, war ein junges Ding mit einem Gesicht wie ein Kätzchen, einladendem Wesen und verschlagenem Blick. Sie zierte sich nicht lange, sich von ihrem Kunden zum Essen einladen zu lassen, und zeigte sich in keiner Weise überrascht, als er ihr vertraulich zuflüsterte, daß er ihr ein Angebot zu unterbreiten habe. Sie stützte ihre rundlichen Ellbogen auf den Tisch, legte kokett den Kopf schief und schickte sich an, ihre Ehre teuer zu verkaufen.
    Als das Angebot Gestalt annahm, änderte sich ihre Haltung in einer Weise, die schon fast komisch war. Ihre Augen verloren den treuen Unschuldsblick, selbst die Haare schienen ihre Flaumigkeit einzubüßen, und ihre Brauen zogen sich in echter Verwunderung zusammen.
    »Hm, natürlich könnte ich das«, sagte sie schließlich, »aber was wollen Sie denn bloß damit? Kommt mir komisch vor.«
    »Sagen wir, es handelt sich um einen Scherz«, sagte Wimsey.
    »Nein.« Ihr Mund wurde hart. »Das gefällt mir nicht. Es will mir nicht in den Kopf, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich meine nämlich, das kommt mir wie ein ziemlich schlechter Witz vor, und mit so was kann man sich die größten Scherereien einhandeln. Sagen Sie, das hat doch wohl nichts mit diesen – wie heißt das noch? Da hat doch vorige Woche in Madame Crystals Kolumne in Susie’s Snippets etwas darüber gestanden – irgendwas mit Hexerei oder Okkultismus, wie? Ich möchte nicht, daß einem da was zustößt.«
    »Nein, ich werde kein wächsernes Abbild machen, wenn Sie das meinen. Passen Sie mal auf, Sie gehören doch zu den Frauen, die ein Geheimnis für sich behalten können?«
    »Ha, ich rede nicht! Ich habe meine Zunge schon immer im Zaum halten können. Da bin ich nicht wie andere Mädchen.«
    »Eben, das habe ich mir gedacht. Darum habe ich Sie ja auch gebeten, mit mir auszugehen. Also gut, hören Sie zu, dann erzähle ich es Ihnen.«
    Er beugte sich vornüber und fing an zu
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