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Starke Frau, was nun?

Starke Frau, was nun?

Titel: Starke Frau, was nun?
Autoren: Kera Jung
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Ressourcen auf diesem Erdball und außerdem besitzt Robert nur einen Zehnliterboiler. Wer sich schon mal total unvorhersehbar mitten im Winter in einem unbeheizten Bad unter einem kalten – eisigen – Wasserstrahl wiedergefunden hat, der weiß, weshalb sie so verflucht vorsichtig ist, und darüber hinaus, wie Opernsänger ihr Lungenvolumen trainieren.
    Einige Minuten danach springt sie nackt durch die kleine, eisig kalte Wohnung. Robert lehnt das Heizen ab – aus Rücksicht auf die endlichen Bodenschätze –, nur im Schlafzimmer sorgt er neuerdings für mollige Wärme. Lisa hatte ihm nämlich zu Beginn der aktuellen Heizperiode erklärt, dass sie die Erste sei, die alles tue, um die Erde vor dem Untergang zu bewahren – ehrlich! Aber wenn er noch einmal Sex mit ihr wolle, sollte er tunlichst dafür sorgen, dass sie dabei nicht aneinander festfrieren.
    Sie streift sich ihren Strickpulli über, das naturfarbene Biohöschen aus Hanf folgt, als Nächstes die schwarze Baumwollstrumpfhose, Strickrock, Pullover, Schal, Kurzjacke aus reiner Schurwolle, Mütze und Atemschutzmaske natürlich auch.
    »Escht ...« Stöhnend reißt sie Letztere noch mal herunter. »Es ist höchste Zeit, ich muss los!«
    Robert hatte ihrem Treiben vom Türrahmen aus zugesehen, wie immer einschließlich dieses leicht entrückten Grinsens, mit dem er wie ein Autist wirkt. Lisa hatte ihn mehrfach darauf hingewiesen, aber er weigert sich partout, das endlich mal zu ändern!
    Eilig küsst sie seinen schmalen Oberarm und stürzt zur Tür, während sie noch ihren Sauerstofffilter richtet.
    Die schief getretenen Stufen hinab, über den düsteren Hinterhof, dann einen weiteren und schließlich steht sie wieder auf der tristen Berliner Seitenstraße des ehemaligen Arbeiter-, jetzigen Szeneviertels. Ein Vorteil, wenn man ein derart altes Rad besitzt: Nicht mal in dieser Stadt macht sich jemand die Mühe, das Teil zu stehlen.
    Gewandt schwingt sie sich auf ihren Drahtesel und radelt los. Aufgrund des Baujahrs verfügt das Gefährt natürlich über keine Beleuchtung, was aber halb so wild ist. Denn kaum biegt sie auf die Hauptstraße ein, wird der Schauplatz von etlichen Autoscheinwerfern geflutet. Es ist bereits dunkel, ab jetzt ist die Pole Position eine Frage des Überlebens.
    Diesmal setzt sie sich vor einen 3er-BMW, und zwar mit absoluter Begeisterung. Diese Marke mag sie ja besonders gern.
    »Ja, du mich auch!«, nölt sie in ihre Atemschutzmaske, als der Typ erwartungsgemäß sofort mit dem elenden Gehupe beginnt. Wetten, dass der Kerl ein Goldkettchen trägt?
    Wetten!
    Als die Huperei nicht nachlässt, hebt sie ihre linke Hand – von ihren schwarzen Wollhandschuhen hat sie kurz nach Erwerb fein säuberlich die Kuppen entfernt – und lässt den der Situation angemessenen Finger nach oben schnellen. Ihr Blick liegt unverwandt auf der Ampel, während das Hupen hinter ihr seine Beschaffenheit ändert. Bisher war es ein einheitliches TRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖT! Nun wird es zum TRÖÖÖÖT-TRÖT-TRÖÖÖT!
    Eindeutig eine Kriegserklärung! Endlich ein potenzielles Opfer, und sie hat es eilig, verflucht! Es wäre nämlich echt mies, wenn sie zu ihrer eigenen Sendung zu spät käme. Meyer, der Idiot, besteht darauf, mit ihr täglich noch mal den Inhalt durchzugehen. Reine Zeitverschwendung, lesen kann sie, solange diese verfluchte Mainstreammusik läuft. Aber der Knaller sieht das nun mal anders, und da er ihr Boss ist, diskutiert Lisa zwar auch mit ihm konsequent alles aus, gibt allerdings gelegentlich mal nach.
    Als sie schon gar nicht mehr daran glaubt, schaltet die Lichtanlage um und sie setzt sich unter dem anhaltenden TRÖÖÖT-TRÖT-TRÖÖÖÖT in Bewegung.
    Genau drei Pedaltritte schafft sie, dann springt etwas Dunkles, Großes, Rundes frontal vor ihr Rad.
    Als geübter Berliner reagiert Lisa augenblicklich: Ball – Kind wird sofort hinterher toben. Sie vollführt ein riskantes Ausweichmanöver nach links, wobei ihr blöderweise entgeht, dass in der Nebenspur auch einer dieser verfluchten Umweltverpester unterwegs ist, schlenkert wegen des Heinis gefährlich wacklig wieder zurück, blickt inzwischen leicht erschrocken in die riesigen Augen eines etwa siebenjährigen Steppkes türkischer Abstammung, rudert noch mal und kippt schließlich unaufhaltsam nach rechts. Direkt über den Bordstein, Richtung Gehweg.
    Mist!
    Zu Boden geht sie übrigens nicht, auf halber Wegstrecke wird sie nämlich von einer militanten Laterne gestoppt. Und
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