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S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone

S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone

Titel: S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
Autoren: Bernd Frenz
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begann der Physiker kontrolliert ein- und auszuatmen, erreichte damit aber nur, dass sich der Brechreiz verstärkte. Unversehens kam ihm das Abendessen hoch.
    Verzweifelt presste er Ober- und Unterlippe zusammen, um die anstürmende Flut zurückzuhalten. Beim ersten Schwall schaffte er es noch, vor dem zweiten aber musste er kapitulieren. Tief über die linke Sessellehne gebeugt, erbrach er sich auf den zerschlissenen Teppichboden.
    Hoffentlich setzen sie mir das nicht auf die Rechnung, ging es ihm widersinnigerweise durch den Kopf. Gleich darauf schrak er zusammen, als er in seinem Erbrochenen Blut schimmern sah.
    Wolkow brachte unwillkürlich beide Hände vor den Mund, doch der Würgereiz hatte aufgehört. Dafür plagten ihn nun rasende Kopfschmerzen. Stöhnend tastete er nach dem Telefon. Er brauchte einen Arzt, und zwar sofort.
    Der altmodische Apparat stand auf der Rauchglasplatte. Wolkow erspähte ihn - doch in dem Moment, da er nach der Wählscheibe greifen wollte, begann sich sein Blick zu trüben.
    Die Welt um ihn herum versank in einem dichten Nebel, gleichzeitig drang ein undeutlicher Ruf an seine Ohren. Zuerst nur leise, dann immer lauter und klarer. Was die Stimme von ihm wollte, war nicht genau zu verstehen, doch ihr Klang hatte etwas Forderndes, das ihn aufstehen ließ.
    Ob es bei Poroschenko und den anderen genauso begonnen hatte?
    Er stieß sich vom Sessel ab und taumelte unbeholfen auf das Panoramafenster zu. Wolkow bewohnte kein normales Zimmer im Imperial, sondern eine Suite. Das machte die Matratzen zwar um keinen Deut weicher, die Räumlichkeiten aber dreimal größer als üblich.
    Am ganzen Leib zitternd stolperte er gegen die Fensterscheibe, die zitternd seinem Ungestüm standhielt. Keuchend presste er Gesicht und Handflächen gegen den kühlen Widerstand, den Blick auf das nächtliche Kiew gerichtet, dessen Lichter lockend zu ihm herauf funkelten.
    Mit glasigen Augen starrte er in die Tiefe, der Welt entrückt, nur noch auf die Stimme in seinem Inneren fixiert, die ihm seltsam fremd erschien und doch die eigene war.
    Die Todessehnsucht durchströmte ihn wie ein schleichendes Gift. Mit jedem Herzschlag wurde sie stärker und fordernder.
    Seine Hände suchten nach einem Hebel, um das Fenster zu öffnen. Vergeblich. Die Rahmen besaßen keinerlei Beschläge. Die Hotelfenster ließen sich nicht einmal in Kippstellung bringen. Die nötige Frischluft wurde über ein Belüftungssystem zugeführt.
    Vor Wolkows unnatürlich geweiteten Augen begannen Bilder zu tanzen, verzerrte Erinnerungen aus der Vergangenheit. Endlos lang anmutende Gänge rasten auf ihn zu und drohten ihn zu verschlingen. Bunte Farben explodierten vor seinen Augen und verschwammen zu psychedelischen Collagen. Wie in einem Videoclip jagten die Szenen an ihm vorbei. Er sah geheime Geräte in unterirdischen Laboratorien, Versuchsanordnungen, die ungeheure Energien verschlangen und vibrierende Säulen, die - davon war er heute überzeugt - krank machende Schwingungen erzeugten.
    Wolkow begann gegen das dicke Fensterglas zu hämmern. Ohne Erfolg. Die Scheibe hielt seinen Fausthieben stand. Erneut geriet sein Magen in Aufruhr. Er übergab sich ein zweites Mal. Diesmal unternahm er keinen Versuch, den Schwall zu unterdrücken.
    In einem wahren Schnittgewitter glaubte er Dutzende von Personen zu erkennen. Täter, Opfer und Ahnungslose wechselten einander immer schneller ab, bis er nur noch Poroschenkos leeres, von Wahnsinn gezeichnetes Gesicht vor sich sah. Das Abbild, das auf seiner Netzhaut zu tanzen schien, wirkte wie eine Mahnung.
    So durfte er auf keinen Fall enden! Niemals!
    Pervertierte Laute, die unmöglich menschlichen Stimmbändern entstammen konnten, raunten ihm Botschaften ins Ohr. Doktor Wolkow hielt seinen Körper plötzlich für eine Ansammlung eitriger Geschwüre, die seinen Geist - nur mehr ein lästiges Überbleibsel längst vergangener Zeiten - abstoßen wollten.
    Keuchend stapfte er zurück zu der Ledersitzgruppe. Obwohl nur l ,76 Meter großund kaum siebzig Kilo schwer, packte er einen der schweren Sessel, wuchtete ihn über seinen Kopf und stürmte damit auf das Fenster zu.
    Seine dünnen Arme setzten ungeheure Kräfte frei. Scheinbar mühelos schleuderte er das schwere Möbelstück durch die Scheibe, die mit einem ohrenbetäubenden Knall unter dem Aufprall zerbarst.
    Vom Klirren herabregnender Scherben begleitet, verschwand der Sessel aus Wolkows Blickfeld. Ein gläserner Hagelschlag fiel in die kalte Nacht.
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