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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ausgestreckt auf dem Rücken und hatte ein schwarzes Loch im Kopf, so groß wie das Brandloch von einer Zigarette.
    Weil der Wind den Schnee ständig hin und her trieb, war es schwer zu erkennen, ob der Krankenwagen vorankam.
    Arkadi und Schenja begleiteten Eva und eine Sanitäterin, ein Mädchen mit einer Checkliste. Eva war auf eine Trage geschnallt, mit Wolldecken zugedeckt bis zum Hals. Eine Sauerstoffmaske bedeckte ihr Gesicht, und Kabel verbanden sie mit einer Reihe von Monitoren. Schenja hockte auf einem Notsitz und hielt seine Knie umschlungen.
    »Sie atmet flach«, sagte Arkadi.
    Die Sanitäterin beruhigte ihn: Messerstichopfer könnten zwar innerhalb von Sekunden an Schock und Blutverlust sterben, aber zwanzig Minuten nach dem Angriff sei Eva immer noch bei Bewusstsein, sie schaue Arkadi an, und sie habe kaum geblutet. Arkadi bemühte sich, zuversichtlich auszusehen, fühlte sich jedoch wie in einem abstürzenden Aufzug: Er sah die Etagen vorüberfliegen, aber er konnte nicht aussteigen.
    Eva hob die Sauerstoffmaske vom Gesicht. »Mir ist kalt.« Er schlug die Wolldecken zurück und riss ihr Kleid auf, um die Wunde besser sehen zu können: ein violetter Schlitz zwischen den Rippen. Eine äußere Blutung war nicht zu erkennen; erst als Arkadi auf die Wunde drückte, drang weinrotes Blut heraus.
    Warten.
    Arkadi und Schenja saßen auf einer Bank vor dem OP und versuchten einen Blick zu Eva hineinzuwerfen, wenn die Tür aufging, durch die man sie hineingerollt hatte. Immer wieder vermaß Arkadi den Flur mit seinen Schritten. Er starrte die Schilder an der Wand an: »Rauchen verboten« und »Keine Handys«. An einem Ende des Flurs führte ein Notausgang auf das Vordach. Draußen auf der Terrasse lag Schnee, und der Wind trieb Zigarettenstummel und leere Packungen vor sich her. Arkadi blätterte in Werbebroschüren, ohne sie wirklich zu lesen: »Was Twer bietet«, »Die Luxusmeile an der Sowjetskaja« und »Wie man beim Roulette gewinnt«. Er spürte, wie er versteinerte. Schenja hatte sich in Evas Mantel vergraben; zwei Beine ragten heraus. Schließlich legte Arkadi den Arm um ihn und dankte ihm dafür, dass er sie alle gerettet hatte. Sie wären jetzt tot, wenn Schenja nicht gewesen wäre.
    »Ich glaube, du bist der tapferste Junge, den ich je gesehen habe. Der Beste überhaupt.«
    Schenjas Weinen unter dem Mantel hörte sich an, als zerreiße jemand Holz. Elena Iljitschnina kam heraus; ihr violetter OP-Kittel war dunkel vom Schweiß, und sie sprach mit einer leisen, besonderen Stimme, die keinerlei falsche Hoffnungen weckte. »Wir haben eine beträchtliche Menge Blut abgesaugt. Doktor Kaska hatte kaum äußerliche Blutungen, aber innerlich war sie überschwemmt. Es gibt so viele Organe, die ein Messer treffen könnte - Lunge, Leber, Milz, Zwerchfell und natürlich auch das Herz -, je nachdem, wie weit die Klinge vordringt. Eine komplette Laparoskopie und die nötigen Reparaturen könnten noch Stunden dauern. Ich schlage vor, Sie gehen in die Notaufnahme und lassen Ihre Hand ordentlich versorgen.«
    Arkadi konnte sich die Notaufnahme vorstellen, die nächtliche Population von Betrunkenen und Speedfreaks, die dort um Aufmerksamkeit wetteiferten. Alles außer Vampiren. »Wir bleiben hier.«
    »Natürlich. Wie dumm von mir, Ihnen eine ärztliche Versorgung vorzuschlagen.«
    Arkadi verstand nicht, warum sie so schroff war. »Können Sie mir bitte sagen, wo ich mein Handy benutzen kann?«
    »Nicht auf dieser Etage. Unsere Instrumente mögen das nicht.«
    »Wo dann?«
    »Draußen.« Sie sah, dass sein Blick zum Notausgang wanderte. »Denken Sie gar nicht erst daran. »
    Als Arkadi es satt hatte, auf den Boden zu starren, griff er noch einmal zu den Broschüren auf dem Tisch. Die Hochglanzhefte offerierten Apartments, Maniküren, intime Restaurants und die Gelegenheit, Männer aus dem Ausland kennenzulernen. Auf einer stand: »Teppiche Sarkisian. Ein feiner persischer oder türkischer Orientteppich ist eine wunderschöne Investition! Vor allem Drachenteppiche können an Wert nur gewinnen. In den Auktionshäusern von Paris und London schätzt man Drachenteppiche auf 100000 $ und mehr!« Auf dem begleitenden Foto deutete ein gut gekleideter Mann mit weißem Haar auf einen roten Drachen, der im verschlungenen Muster eines Teppichs lauerte. Arkadi schwärzte das Haar des Mannes mit seinem Stift, und die Familienähnlichkeit mit Staatsanwalt Sarkisian war vollkommen.
     
    Viktor und Platonow kamen aus Moskau und brachten

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