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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist
Autoren: Martin Cruz Smith
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russischen Soldaten in Tschetschenien bei der Verfolgung der Rebellen deine Brücke überqueren würde. Hat es dir Sorgen gemacht, was sie wohl denken würden, wenn sie sähen, wie deine Schwarzen Barette mit dem Feind herumsaßen und Trauben aßen?«
    »Da waren ein paar Tschetschenen an der Brücke, ja. Sie wandten sich gegen uns, aber wir waren vorbereitet.«
    Die Antwort troff von Bescheidenheit. Falsche Entscheidung, dachte Arkadi. Wütende Empörung und ein Schlag in die Fresse, das war noch immer die sicherste Erwiderung. Natürlich wollte Isakow sich vor Eva als rational denkender Mann präsentieren. Arkadi ja auch. Sie waren Schauspieler, und Eva war ihr Publikum. Das alles war für sie bestimmt.
    Als sie wieder bei dem schmiedeeisernen Zaun angekommen waren, blieb der Schnee allmählich hängen, und die Lücken im Gitter wurden schmaler.
    »Ich habe mit Ginsberg gesprochen«, sagte Arkadi. »Ginsberg?« Die Mühe der Erinnerung ließ Isakow langsamer gehen.
    »Der Journalist.«
    »Ich habe mit vielen Journalisten gesprochen.«
    »Der mit dem Buckel.«
    »Wie kann man einen Buckligen vergessen?«, fragte Eva. »Jetzt fällt es mir wieder ein«, sagte Isakow. »Ginsberg war vergrätzt, weil ich ihm nicht erlaubt habe, mitten in einer militärischen Operation zu landen. Er schien nicht zu kapieren, dass ein Hubschrauber auf dem Boden nichts als eine Zielscheibe ist.«
    »Die militärische Operation war das Gefecht an der Brücke?«
    »Diese Unterhaltung ist langweilig für die arme Eva. Sie hat diese Geschichte schon hundertmal gehört. Lass uns über die Erneuerung Russlands sprechen.«
    »Die Operation war das Gefecht an der Brücke?«
    »Sprechen wir über Russlands Platz in der Welt.«
    »Ginsberg hat Fotos gemacht.«
    »Ach ja?«
    Arkadi blieb unter einer Laterne stehen und öffnete seine Seemannsjacke. In der Innentasche steckte eine Mappe. Er nahm zwei Fotos heraus, eins hinter dem anderen.
    »Beides Luftaufnahmen von der Brücke. Leichen an einem Lagerfeuer, Schwarze Barette mit Waffen in den Händen.«
    »Daran ist nichts Ungewöhnliches«, sagte Isakow.
    Arkadi hielt das zweite Foto zum Vergleich hoch.
    »Das zweite Foto zeigt die gleiche Szene, vier Minuten später, nach dem Zeitstempel der Kamera. Mit zwei entscheidenden Veränderungen. Urman zielt mit dem Gewehr auf den Hubschrauber, und sämtliche Leichen am Lagerfeuer sind nach vorn gerollt oder zur Seite geschoben worden. In diesen vier Minuten bestand das wichtigste Ziel für dich und deine Männer darin, den Hubschrauber fernzuhalten und etwas unter den Toten hervorzuholen.«
    »Was denn hervorzuholen?«, fragte Eva. »Drachen.«
    »Der Mann hat sie nicht mehr alle«, sagte Isakow.
    »Als Kusnezows Frau sagte, ihr hättet ihr ihren Drachen weggenommen, habe ich nicht verstanden, wovon sie redete.«
    »Sie war eine Volltrunkene, die ihren Mann mit einem Küchenbeil erschlagen hat. Ist das deine Informantin? » »Ich habe nicht an Tschetschenien gedacht.«
    »Tschetschenien ist vorbei. Wir haben gewonnen.«
    »Es ist nicht vorbei«, sagte Eva.
    »Na, aber ich habe genug gehört«, sagte Isakow. »Warum?«, fragte Eva. »Gibt es da noch mehr?«
    »Der Rest der Welt bringt sein Geld auf die Bank«, sagte Arkadi. »Aber in diesem Teil der Welt steckt man sein Geld in Teppiche, und die kostbarsten Teppiche haben einen roten Drachen in ihrem Muster. Ein klassischer Drachenteppich ist im Westen ein kleines Vermögen wert. Darauf möchte man kein Blut vergießen, und wie du schon sagtest, in Tschetschenien gibt es kaum etwas anderes, das sich zu stehlen lohnt.«
    »Die Toten waren Diebe?«
    »Partner. Isakow und Urman waren im Teppichgeschäft tätig. Sie haben ihren Partnern den Teppich ausgerollt, und dann haben sie ihn wieder zusammengerollt.«
    Schneeflocken schwammen über die Hochglanzoberfläche der Fotos, über die Glut des Lagerfeuers, über Marat Urmans zielstrebigen Schritt, um die Leichen herum, die ausgestreckt im blutigen Sand lagen.
    »Jetzt sehe ich es«, sagte Eva.
    Isakow hatte ein Ohr für Zwischentöne. »Du hast diese Fotos schon einmal gesehen?«
    »Gestern Abend.«
    »Du hast mir gesagt, du gehst ins Krankenhaus. Ich habe gesehen, wie du die Kassetten mitgenommen hast.«
    »Ich habe gelogen.«
    »Renko war bei dir?«
    »Ja.«
    »Und?«
    Eva antwortete mit einem lang gezogenen, emphatischen
    »Ja«.
    Isakow lachte. »Marat hat mich gewarnt. Sieh dir Renko an, sieh ihn dir an, der Mann sieht aus wie exhumiert.«
    »In Anbetracht
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