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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen
Autoren: Samuel R. Delany
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alles so heimlich tun müssen.«
    »Er wird es bald erfahren«, sagte Catham schwer. »Sie werden es alle erfahren.«
    Wieder seufzte sie. »Ja, das werden sie wohl. Dieses Ungeheuer von einem Computer in Telphar wird es ihnen nicht vorenthalten. Wenn sie wollten, könnten sie es alle jetzt schon wissen, aber es ist zu peinlich für sie.«
    »Clea, ich habe dich schon hundertmal gefragt, es ist nur so schwer zu glauben: Du bist von der Echtheit dieser Berichte überzeugt?«
    Sie nickte. »Die einzigen, die sie zu sehen bekamen, war eine Handvoll Menschen, die mit der Konstruktion des Computers näher beschäftigt gewesen waren. Man gewährte mir, mehr aufgrund des Wirrwarrs im Palast als aus einem anderen Grund, einen flüchtigen Einblick. Aber es macht mich krank, Rolth, krank, daß ich überhaupt etwas mit diesem Ungeheuer zu tun hatte.« Sie stieß die Luft aus, als sie unter dem Schatten des Balkons auf die Straße traten. »Doch mit diesem Schuldbewußtsein habe ich mich wohl schon gründlich genug befaßt, nicht wahr?« Es war eine Frage, der als Antwort, als momentaner Trost, schon seine beruhigende Hand auf ihrem Arm genügte. »Rolth, sie haben viermal versucht, ihn zu demontieren. Aber es geht nicht! Irgendwie schützt er sich selbst. Sie können kaum in seine Nähe.«
    Sie drehte sich um und winkte ihrem Vater auf dem Balkon zu, ehe sie zu der Straße weiter hinabgingen.
    »Das Wie stelle ich gar nicht in Frage«, murmelte Rolth. »Er hat ja die gesamte unbenutzte Ausrüstung, die Waffen und alles, was zu einem totalen Krieg gehört, unter seiner Kontrolle. Aber weshalb, Clea? Du bist die Mathematikerin. Du bist mit Computern vertraut.«
    »Du bist der Historiker«, konterte sie. »Und Kriege fallen in dein Fachgebiet.« Noch einmal winkte sie der jetzt kleinen Gestalt auf dem fernen Balkon zu. »Ich frage mich, wie lange es dauern wird, ehe er – sie alle es erfahren.«
    »Ich weiß nicht«, murmelte Catham.
    Hoch über ihren Köpfen war das Transitband ein dünner Strich am Himmel.
     
    Als sie aus seiner Sicht verschwanden, seufzte der alte Koshar tief. Dann tat er etwas, das er schon seit langem nicht mehr getan hatte. Er zog einen unauffälligen Anzug an und begab sich zum Hafen, wo er zusah, wie eines der Schiffe mit der Nachmittagsschicht der Arbeiter für die Koshar-Aquarien auslief.
    Einmal blieb er kurz an einer Ecke stehen, als ein riesiger Transporter mit der Aufschrift Koshar-Hydroponische Anlagen auf seiner Aluminumhülle vorbeifuhr. Vor einem Gebäude, dem saubersten und höchsten des ganzen Viertels, blieb er stehen. Das war das Bürohaus der Koshar-Synthetikwerke.
    Später spazierte er durch die schmalen schmutzigen Gassen des Höllenkessels und hielt vor einer Pension mit Gaststube an. Er war durstig, der Nachmittag heiß, also trat er ein. Offenbar hatten viele andere die gleiche Idee gehabt. Die meisten saßen an der Bar und unterhielten sich. Eine freundliche Stimme sagte neben ihm. »Oh, hallo! Sie habe ich hier noch nie gesehen.«
    Die Frau, die gesprochen hatte, saß an einem Tisch neben der Tür. Sie war über Fünfzig und hatte ein großes Muttermal an der linken Wange.
    »Ich war auch noch nie hier«, erwiderte Koshar.
    »Das erklärt es«, sagte Rara lächelnd. »Setzten Sie sich doch.« Aber er war bereits auf dem Weg zur Bar. Er kaufte sich einen Drink, dann drehte er sich damit um und überlegte, wohin er sich setzen sollte, als er die Frau an der Tür sitzen sah. Also kehrte er zurück und ließ sich an ihrem Tisch nieder. »Wissen Sie, früher einmal habe ich viel Zeit in diesem Viertel verbracht. Ich erinnere mich jedoch nicht an diese Kneipe.«
    »Ich hab’ sie auch erst einen Monat.« Stolz klang aus Raras Stimme. »Hab’ eben erst meinen Gewerbeschein bekommen. Jetzt versuch’ ich natürlich, ein möglichst beständiges Geschäft in Gang zu bringen. Gerade in dieser Branche ist es sehr wichtig, freundlich zu sein, wissen Sie? Ich hoffe, Sie kommen oft hierher.«
    »Mhm«, murmelte Koshar und nippte an der grünen Flüssigkeit in seinem Krug.
    »Schon vor ein paar Jahren hab’ ich’s in einer anderen Straße versucht. Hatte die Kneipe von einem verstorbenen Freund übernommen. Aber das war gerade, als das mit den Dissis angefangen hatte, und schon bald ging die ganze Bude bei einer Razzia in die Brüche. Hier bin ich erst seit zwei Wochen, und schon hat es etwas sehr Unerfreuliches gegeben. Ein paar sind heute früh einfach eingedrungen – einer dieser
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