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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen
Autoren: Samuel R. Delany
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so wisse, diese Reise sucht das Ende zu verstehen, sucht Küsten, an die ferne Ozeane spülen; gekettet von dem übermuskelten Herzen sind wir gefangen in jenem klaren Augenblick, der uns unsere Ausweglosigkeit zeigte, doch trotzdem wehren wir uns in dem Wissen, daß die Freiheit sich in jedem Moment zu erkennen gibt, da die Falle zuschnappt …
     
    »Halten Sie an!« mahnte Arkor.
    Der Abend rötete die ausgedörrte Ebene. Telphar lag hinter ihnen.
    »Bleiben Sie stehen, oder Sie werden sterben!«
    Nonik schüttelte heftig den Kopf, dann lachte er, bis sein Gelächter zu einem Flüstern erlosch. »… sterben?« Wieder schüttelte er den Kopf. »… die Falle schnappt zu. Die Barriere …«
    »Der Rand der Barriere liegt bereits hinter uns«, sagte Arkor.
    Bronzefarbiges Licht stach und wühlte zwischen den kahlen Steinbrocken um sie.
    »Auch Sie werden sterben!«
    Arkor schüttelte den Kopf. »Ich vertrage mehr Strahlung als Sie.«
    Zum erstenmal zeichnete sich eine echte Gefühlsregung auf Noniks Zügen ab. Er runzelte die Stirn. »Bin ich bereits zu weit gegangen?«
    »Kehren Sie um! Kommen Sie mit mir zurück, Vol Nonik.«
    Nonik lachte erneut. »Aber Sie können sie ja gar nicht sehen. Ich meine, die Grenze, über die ich nicht mehr zurück kann, wenn ich sie erst überschritten habe. Ist sie hier? Stehe ich darauf?«
    Plötzlich rannte er zehn Meter weiter. »Verstehen Sie es denn nicht«, rief er über die Schulter zurück. »Vielleicht bin ich gerade über sie hinaus.« Langsamen Schrittes kehrte er über die trostlose Öde zu Arkor zurück. »Das bedeutete, daß ich schon tot bin. Jede Zelle in meinem Körper ist bereits erstorben, aber vielleicht kann ich noch eine Stunde oder so umhertorkeln und mir vormachen, ich lebte noch. Doch ich bin tot! So also ist es, wenn man tot ist. Zuerst werde ich blind, dann beginne ich zu taumeln, als hätte ich zuviel getrunken.« Er fuhr sich mit der guten Hand über das Gesicht. »Beginnt es bereits? Ich – ich glaubte, meine Augen würden schon trüb.« Plötzlich umklammerte er Arkors Schultern und brüllte: »Nein!«
    Arkor griff mit seinen großen Händen nach dem kleinen, zitternden Menschen. Der bebende, glitzernde Geist drehte sich unter seinem eigenen. »Vol, kommen Sie zurück«, bat er. »Ich sehe so viel mehr als Sie. Ich weiß so viel und doch so wenig. Sie können nicht frei sein, wenn – wenn Sie tot sind.«
    Nonik riß sich abrupt von ihm los. Furcht überzog sein Gesicht, und das Gesicht eines Mädchens füllte seinen Geist. Er drehte sich um, kletterte die Erhebung hoch und rannte geradeaus weiter. Langsam beruhigte sich das Chaos, als er immer weiter lief.
    Arkor drehte sich in dem steinernen Meer um und schlurfte zurück. Nun, da er wieder allein war, strömten dem großen Telepathen die Tränen über das Gesicht.
     

 
EPILOG
     
    Käfer – Rubine – Silber. Jon atmete verwirrt das seine Kehle reizende Ozon. Alter griff nach seiner Hand, als sie über den weißen Sand starrte. Durch die plötzliche Schwerkraftveränderung hätte Jon fast die Papiere fallen lassen, aber Alter griff schnell danach und half sie ihm auffangen. Sie blickte auf die Stadt.
    Wo Rauch wie Silberschuppen über die ausgebrannten Mauern des Königspalasts von Toron fiel. Die Überreste der geknickten Türme ragten zum Himmel empor. Immer noch kauerten und drängten sich Menschen in den Straßen zusammen, aber viele hatten sich bereits auf den Weg zur Küste gemacht. Manche halfen einander über die gefallenen Streben und Mauertrümmer, die die Straßen blockierten. Einige waren allein. Aber sie alle taten etwas.
    Alter wich zurück und drückte sich an ihn. Jon legte seine freie Hand um ihre Schulter und stieg die Düne hinunter. Das Licht drang durch ihre Körper. Sie bewegten sich wie fließendes Glas.
    »Haben sie die Geschichte gebracht …?«
    »… die Einheitsfeldtheorie …?«
    »… die Gedichte …?« überschütteten die Delegierten in der Stadt das Dreiwesen mit Fragen.
    »Sind sie gekommen?«
    »Werden wir den Krieg gewinnen?«
    »Wo ist der Herr der Flammen?«
    Und die dreifache Antwort war: Es gibt keinen Krieg!
    Jon und Alter blieben Hand in Hand am Rand der Stadt stehen und lauschten.
    Der Herr der Flammen, fuhr das Dreiwesen fort, hat sich ein allumfassendes Bild gemacht und weiß nun, daß ein Krieg nutzlos wäre – daß beide Seiten ausgerottet würden, wenn es zu einem käme.
    »Wir würden uns gegenseitig vernichten?« fragte Jon.
    Wir würden zuerst
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