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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen
Autoren: Samuel R. Delany
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es überhaupt wert, daß man Sie auch nur in Betracht zieht, Jon Koshar? Oder sind Sie lediglich die Geschichte über einen Jungen, an die ein paar Sträflinge sich erinnern – ein Junge, den sie nie selbst gekannt hatten? Schließen Ihr weißes Haar, Ihre dunkle Haut und Ihre grauen Augen Ihr wirkliches Ich ein, Alter Koshar? Oder sind Sie nur das Bild, das staunende Kinder auf einem Zirkusplakat von Ihnen, im Sprung vom Trampolin, sehen?«
    »Ich glaube, es wird Zeit zurückzukehren«, sagte Jon ein wenig unbehaglich.
    »Zeit zu gehen«, murmelte Nonik. »Ja, Zeit zu gehen.«
    Im Labor sagte Clea: »Es funktioniert erstaunlicherweise noch. Trotz all der Bombardierungen ist das Transitband immer noch mit der Empfangsstation in Toron verbunden. Ich weiß allerdings nicht, was euch dort erwartet, aber wenn ihr unbedingt dorthin wollt, dann kommt jetzt auf die Plattform.« Sie stiegen die Metallstufen hoch und stellten sich unter den Kristall. Jon hatte die Papiere unter einen Arm geklemmt, und seine Hand hielt Alters.
    Clea trat an eine Tetroneinheit, sie zog an einem Schalter. Irgendwo summte ein Solenoid, und die erste Reihe scharlachfarbiger Hebel auf einer Tafel mit neunundvierzig schalteten von »aus« auf »ein«.
    »Ich will auch mit«, rief Vol Nonik plötzlich.
    »Nicht jetzt«, hielt Clea ihn zurück. »Es ist nicht eingestellt, soviel Gewicht zu transportieren.«
    Die nächste Reihe der Hebel wechselte auf »ein«.
    »Ich muß hinaus aus diesem Edelstahlasyl!« brüllte Nonik und schüttelte den Kopf. Seine Augen fixierten die Gestalten auf der Plattform, die zu schimmern begonnen hatten.
    »Wir schicken dich gleich nach, sobald die zwei angekommen sind – wenn du dann noch willst«, versprach ihm Catham. »Über ein bestimmtes Gewicht läßt sich die molekulare …«
    Nonik stieß einen Schrei aus und sprang auf den Rand der Plattform, dann taumelte er unter den Kristall.
    »Vol …!«
    Etwas blitzte grell weiß auf. Etwas zersprang und sprühte Funken.
    »Was ist passiert?« rief Rolth erschrocken.
    »Dieser Idiot …« Clea biß sich auf die Unterlippe. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Der Sender ist so gebaut, daß er nur so und soviel Gewicht auf einmal transportieren kann. Ich habe keine Ahnung, ob überhaupt alle drei ankommen werden, und ob zur gleichen Zeit, oder ob sie irgendwo anders enden!«
    Die Plattform war leer.
     

 
12.
     
    Arkor lag auf einem Kleiderhaufen in einer Ecke des Laborturms und beobachtete die Sonnenstrahlen, die durch die aufgerissene Decke fielen.
    Der große Kristall am Ende des Transitbands begann zu glühen, und gleich darauf stolperte Vol Nonik schreiend gegen das Geländer.
    Arkor nahm mit einem Blick den gemarterten Körper auf. Das Muster des Geistes sprang durch den Raum und zitterte hungrig vor ihm. Arkor zuckte geistig zurück. Leid, Verletzung, die langen Stränge der Schmerzen erbebend und mißtönend. Ein Kreislauf sorgfältiger Teile und Muster, exakt und gewaltig, doch hier und da zerschmolzen oder kurzgeschlossen durch seine Eigenhitze. Ein Gemälde so lebendig in den Einzelheiten und Farben, daß seine eigene Intensität die Leinwand verkohlt hatte. Arkor versuchte, geistig noch weiter zurückzuweichen. Er setzte sich auf. »Was wollen Sie hier?«
    Die Gestalt schüttelte den Kopf. »Ich will nicht mehr reden, ich will nur nicht mehr – sprechen.«
    »Das brauchen Sie auch nicht«, versicherte ihm Arkor. »Was wollen Sie?« Noniks Augen glänzten. »Also gut«, brummte Arkor. »Kommen Sie mit.« Vol folgte ihm zur Tür. So sehr er sich auch bemühte, er konnte seine schreiende Seele nicht zum verstummen bringen, als sie die Treppe hinunterstiegen.
     
    … die Bewegung meines Leibes im Rauch, der durch die geborstenen Wände dringt, erinnert an ein ungeschlachtes Behemoth in kühlen Fluten; die Sonne fällt in einem weiten Band durch die Decke über die Stufen, und bei meinem Blick wendet der verwundete Riese sich ab. Die schimmernden Spitzen stoßen durch den Dunst, Schwellen und Türen zerstört, und wir schreiten durch das Leid der verwüsteten Straßen; die Lippen schweigend zusammengepreßt im Anblick all der Trümmer, der Überreste zerstörter Träume; oh, diese Höhlen, durch die ich nicht kriechen kann, voll abendlicher Pein, quälenden Träumen entblößt. Maschinen unter dem Abendhammer zersprungen. Rückwärts springender Geist, sich erhebend, mit Feuerzungen nach dem Band im Himmel greifend …
     
    Arkor beobachtete Vol, der vor ihm
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