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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leutnant. Und Wahnsinnige müssen mit Nachsicht behandelt werden.
    »Weißt du überhaupt, von wem du sprichst?« fragte er nun väterlich den Geistesgestörten.
    »Das sagte ich ja: vom Marquis de Bérguérac.«
    »Und weißt du, wer das ist?«
    »Der Kommandant der Königsgarde.«
    »Sieh mal einer an, du weißt das. Und er, der Kommandant der Königsgarde, hat dir eine Einladung überbracht?«
    »Ja.«
    »Vom Dauphin?«
    »Ja.«
    »Ins Schloß?«
    »Ja.«
    Der Leutnant hielt das nicht mehr länger aus. Sein Vorsatz, Nachsicht zu üben, zerbrach.
    »Ja, ja, ja!« fing er plötzlich wieder an zu brüllen. »Du wagst es, mich zum Narren zu halten! Wenn du noch ein einziges Mal ja sagst, schneide ich dir die Zunge aus dem Maul! Ist dir klar, warum?«
    »Nein.«
    »Sag nicht nein, du Idiot! Sag ja! Das muß doch klar sein!«
    »Wenn ich ja sage, schneidet Ihr mir die Zunge aus dem Maul, habt Ihr gedroht.«
    Der Leutnant traf Anstalten, seinen Degen aus der Scheide zu reißen, um eine Bluttat zu begehen. Diese Bluttat zu verhindern, lag im Interesse Chartiers, der deshalb rasch den Umschlag, in dem seine Einladung ins Schloß steckte, zum Vorschein brachte und ihn dem tobenden Offizier hinhielt.
    Rot leuchtete das Siegel des Dauphins, das zwar erbrochen, aber immerhin noch vorhanden war.
    Der Leutnant erstarrte. Sein Blick saugte sich an dem Siegel fest. Sekundenlang herrschte Schweigen.
    »Was ist das?« krächzte er dann, zum Umschlag nickend, ohne ihn zu ergreifen.
    »Die Einladung des Dauphins. Bitte, lest sie.«
    Nun blieb dem Leutnant nichts anderes übrig, als das zu tun, wozu er sich aufgefordert hörte. Nachdem er das Schreckliche, das sein berserkerhaftes Auftreten total ins Unrecht setzte, zur Kenntnis genommen hatte, wußte er nicht, wie er sich aus der Situation herauswinden sollte, bis ihm einfiel, daß ja noch seine Untergebenen vorhanden waren, die als Blitzableiter dienen konnten.
    »Ihr Hundesöhne!« brüllte er sie an. »Was steht ihr herum und grinst und glotzt unverschämt? Ich bin mit euch geschlagen und verlerne es dadurch, den himmelweiten Unterschied zwischen euch und einem Auserwählten zu sehen! Werft euch zu Boden, damit der größte Dichter Frankreichs sich seine Schuhe an euren Visagen abputzen kann, ehe er die Stadt Paris betritt!«
    Alain Chartier verzichtete auf diesen Genuß, den er als solchen nur empfunden hätte, wenn ihm dazu das Gesicht des Leutnants zur Verfügung gestanden wäre. Er winkte ab und durchschritt das Tor, das vor ihm plötzlich, wie von Geisterhand bewegt, aufflog.
    Der Leutnant lief neben ihm noch ein paar hundert Meter in die Stadt hinein her und hörte nicht auf, ihm mit Klagen in den Ohren zu liegen über seine Leute, die an allem schuld seien.
    »Habt Ihr schon einmal mit solchen bornierten Ochsen zu tun gehabt?« fragte er den Dichter, der nur knappe Antworten gab und seinen Schritt beschleunigte, um den Leutnant abzuschütteln.
    »Nein.«
    »Seid froh. Man wird selbst auch noch ganz blöd davon; das hat sich ja soeben gezeigt.«
    »Ja.«
    »Könnt Ihr mir verzeihen?«
    »Ja.«
    »Oder werdet Ihr Euch revanchieren, indem Ihr mich dem Marquis de Bréguérac meldet?«
    »Nein.«
    »Auch nicht dem Dauphin?«
    »Nein, sage ich!«
    Chartier wußte ja nicht einmal, ob er dazu kommen würde, überhaupt ein Wort mit dem Dauphin zu wechseln. Möglich war doch sogar, daß der ganze Ball, wie der Kommandant der Garde gemeint hatte, ausfiel.
    Der Leutnant, ein unverschämter Mensch, wollte sich vergewissern und fuhr fort: »Ihr schwört mir das?«
    »Was?«
    »Daß Ihr Euch bei niemandem über mich beschwert?«
    Chartiers Absicht, dem lästigen Kerl zu enteilen, mußte als gescheitert angesehen werden. Der kräftige, gutgenährte Offizier hielt mit Leichtigkeit an der Seite des verhungerten, von seiner Krankheit ausgehöhlten Dichters. Alain Chartier blieb stehen.
    »Ihr geht mir auf die Nerven«, sagte er.
    »Ihr habt mir doch«, legte der Leutnant von seiner Impertinenz Zeugnis ab, »soeben verziehen.«
    »Ja, aber –«
    »Auch nicht dem Dauphin.«
    »Ja, aber –«
    »Dann könnt Ihr mir das doch auch schwören.«
    »Ja, das könnte ich, aber«, ließ sich Chartier endlich das Wort nicht mehr abschneiden, »es würde Euch nicht viel helfen.«
    Der Leutnant erschrak.
    »Warum nicht?«
    »Weil es auch noch die Dauphine gibt, mit der zu sprechen sich eine Gelegenheit bieten wird.«
    »Die Dauphine«, entsetzte sich der Leutnant, »eure besondere Gönnerin!«
    Ihm war
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