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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sorge, meine Liebe, wir kriegen ihn, wir finden das Loch, in das er sich verkrochen hat. Die ganze Stadt ist so abgeriegelt, daß keine Maus aus ihr herausschlüpfen kann. General Dubois leitet die Fahndung. Er hat mir geschworen, den Hochverräter zu finden, und wenn er das letzte Haus von Paris durchsuchen lassen muß.«
    »Hoffentlich verspricht er nicht zuviel.«
    »Das glaube ich nicht. Dubois ist dafür bekannt, daß er seinen Männern keinen Augenblick Ruhe gönnt, bis sein Ziel erreicht ist, und wenn's die Sterne sind, die er für sein Königshaus vom Himmel holen will. So hat er selbst einmal gesagt.«
    »Er ist also doch einer von denen«, meinte die Dauphine mit skeptischer Miene, »die zuviel verheißen.«
    »Der Präfekt wird ihm nicht entgehen, verlaß dich nur darauf.«
    »Und was geschieht mit den anderen? Du hast von einem ganzen Aufstand gesprochen, der geplant war. Dazu gehören viele.«
    »Jeden wird die Strafe treffen.«
    »Welche Strafe? Die gleiche wie die für den Präfekten?«
    Der Dauphin schwieg unschlüssig.
    »Du kannst sie nicht alle zu Tode foltern lassen«, sagte daraufhin rasch die Dauphine, die sich nun doch wieder daran erinnerte, daß sie eine Frau war.
    »Warum nicht?«
    »Weil du nicht in die Geschichte eingehen sollst als Ludwig der Grausame.«
    Überrascht blickte der Dauphin seine Gemahlin an, nickte dann und sagte lächelnd: »Du denkst also eher an einen Gnadenakt, an eine große Amnestie?«
    »Ja«, antwortete auch lächelnd die Dauphine.
    »Das wird aber nicht genügen, meine Liebe. Es muß auch der Boden verändert werden, auf dem die Rebellion gedeihen konnte. Der aufrührerische Gedanke hat, soviel war schon festzustellen, Anklang beim Volk gefunden. Haß gegen den König und mich und dich hegten nicht nur Buron und der Präfekt, wenn auch aus anderen Gründen. Und dem will ich nachgeben. Es muß Grund zum Klagen gegeben haben. Abhilfe zu schaffen, wird mein Ziel sein. Ich will über mein Volk herrschen, ja, einst als König – aber nicht, indem ich Tyrannei ausübe. Meine Regentschaft soll eine der Achtung sein, die mir vom Volk entgegengebracht wird. Um dieses Ziel zu erreichen, muß ich noch einiges tun, scheint mir. Aber ich bin fest dazu entschlossen.«
    Der Dauphin ging an seinen alten Platz am Fenster zurück und schaute wieder in den sommerlichen Park hinaus. Er spürte förmlich, daß ihn die Blicke der Dauphine im Rücken trafen, daß sie ihn musterte und abwog, ob er wohl stark und lauter genug für sein Programm sein werde, von dem er ihr soeben einen Abriß gegeben hatte.
    Dann fällte sie ihr Urteil. Tränen stiegen ihr in die Augen, nicht Tränen der Enttäuschung, sondern der Freude.
    Der Dauphin drehte sich um und entdeckte die Rührung im Gesicht seiner Gattin. Rasch trat er zu ihr, zog sie von ihrem Stuhl hoch und umarmte sie.
    Selig blickte sie ihn an.
    »Ich werde immer an deiner Seite stehen«, flüsterte sie.
    »Jeanette … verzeih! Jeanette, bitte, versuch doch zu verstehen …«
    Versuchen – damit war es nicht getan.
    Und verzeihen und verstehen? Große Worte … so einfach auszusprechen und stets dann gebraucht, wenn es galt, der Demütigung die Last zu nehmen. Was machte es ihr, daß der Kuß, den die Dauphine im Park Alain gegeben hatte, das Gespräch der ganzen Stadt geworden war, daß selbst einer wie dieser Galgenvogel von Villon das Maul im Spott darüber zerriß? Was scherte es sie, daß eine Prinzessin darauf verfiel, schlafende Dichter zu küssen? Das war es doch nicht?
    »Versuch doch zu verstehen …«
    Als ob sich all ihre Ängste, ihre ständige Sorge, ihre Opfer mit einem ›versuch-mich-doch-zu-verstehen‹ hinwegscheuchen ließen wie lästige Fliegen.
    Sie verstand. Und ob! Denn nun wußte sie, was sie ihm war und was er stets in ihr gesehen hatte: Die Amme aus der Bretagne. Hatte er sie nicht oft genug so genannt? Und was sie für Scherz gehalten hatte, ihm war es ernst. Die Amme. Wärme. Ein junger Leib im Bett. Und nicht nur das, auch das Dach über dem Kopf, das Huhn auf dem Tisch, der Wein im Glas. Auch Dichter müssen essen, ehe sie sich wieder zu ihren Wolken hinauf verabschieden. Gepflegt hatte sie ihn, den Medicus gerufen, zur Post war sie gelaufen, um die Briefe zu holen, die ihn erreichten, selbst Briefe vom Königshof darunter.
    Danke, Jeanette. Manchmal ein Kuß, ein Lächeln.
    Und sie, sie konnte ihm das Blut von den Lippen wischen und die Nächte wachliegen, um auf das Auf und Ab seines Atems, auf diesen
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