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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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natürlich die Sache mit dem Kuß im Bois de Boulogne auch bekannt.
    »Das wäre ja schlimmer«, fuhr er fort, »als wenn Ihr beim Dauphin oder beim Gardekommandanten über mich Beschwerde führen würdet.«
    »Kann schon sein.«
    »Und Ihr wollt das tun? Ihr wollt mich wirklich unglücklich machen?«
    »Wenn Ihr nicht aufhört, mich zu belästigen, ja.«
    »Schuld an allem sind doch meine stupiden Kerle, das habe ich Euch schon gesagt. Um Euch Genugtuung zu verschaffen, verspreche ich Euch, die Hundesöhne so lange auf Wasser und Brot zu setzen, bis ihnen alle Zähne ausgefallen sind – oder sie gleich verhungern zu lassen! Glaubt mir, ich mache das!«
    »Das würde Euch ähnlich sehen.«
    »Was«, entgegnete der Leutnant, der an seinem Zorn fast erstickt wäre; er mußte ihn ja bändigen, »soll das heißen?«
    »Das soll heißen, daß ich genau das Gegenteil wünsche. Ihr habt die armen Kerle in Ruhe zu lassen. Wegen mir sollen die keine Repressalien erleiden müssen. Nur so könnt Ihr Euch meine Zusage einhandeln, mit der Dauphine nicht über Euch zu sprechen.«
    »Einverstanden«, stieß der Offizier rasch hervor.
    »Seid aber gewiß, daß ich mich vergewissern werde, daß Ihr Euer Wort nicht brecht. Ihr werdet bestimmt nicht nur einmal erleben, daß ich an Eurem Tor wieder auftauche.«
    Der Leutnant nickte ergebenst, innerlich dachte er jedoch: Du wirst nicht mehr oft, wenn ich dich so ansehe, bei uns auftauchen. Wo du auftauchen wirst, kann ich dir sagen – im Friedhof!
    Rasch entfernte sich Chartier. Die Wünsche, die ihm von diesem Offizier nachgesandt wurden, waren keine guten.
    Der Dichter zwang sich, an den ganzen Vorfall möglichst nicht mehr zu denken. Der Zauber, den die Stadt Paris nun wieder einmal auf ihn ausübte, erleichterte ihm dieses Vorhaben.
    Wie gut kannte er doch jede Straße, jede Gasse, jeden Winkel – und doch war es ihm, als schenke sich die Stadt immer aufs neue dem Empfangsbereiten, der ihre Schönheit mit den Lippen kaum zu preisen wagte. Gedichte sind die Gärten, Himmelsodem ihre Schlösser, fuhr es dem lächelnden Chartier durch den Sinn. Und all dies zusammen, das herrliche Paris, die Königin der Städte, kann die schönste Hymne sein, die je ein Mensch aus seiner Fantasie zum Lobe Gottes sang und steinern erbaute.
    Im hellen Sonnenlicht tanzten vor ihm kleine Ballen Staub, weiß fast wie dünne Flocken Schnee, und wie von einer Zauberhand berührt, verflog auf den Blüten in den Gärten Tautropfen um Tautropfen, hell funkelnd noch im Augenblick, ehe sie sich in das weite Reich des Äthers saugen ließen.
    Traumverloren lief Alain Chartier durch die altbekannten Straßen, entdeckte jeden Garten neu und begrüßte ihn innerlich dennoch wie eine langentbehrte, langersehnte, herrliche Geliebte. Sein Blick liebkoste die ihm vertrauten Häuser und Monumente, und als ihm heiß wurde, stieg er eine Treppe hinunter zum Ufer der Seine und kühlte sich mit deren Wasser Hände und heiße Stirn. Zum Glück erzählten ihm die murmelnden Wellen nicht, welchen Leichnam sie vor kurzem fortgetragen hatten.
    Es war, als wollte der Dichter noch einmal Stein für Stein der Stadt in seine Seele senken.
    Wie hattest du doch geträumt, schmächtiger, stets hustender Chartier? Auf einer Bank im Park lagst du am See des Jardin d'Acclimatation. Ein Falter küßte dich und trug dich in die Sonne, und die Welt war unter dir, unbedeutend und klein. Schwindel erfaßte dich, du fühltest, daß du Grenzen hast in deinem Leben, daß es die Götter sind, die herrschen, nicht die Menschen.
    Welch freien Traum der Seele träumtest du! Ob es die Blüten im Bois so wollten, als ihr Duft im Schlafe dich umwehte? Ob es der Wind mit seinem Schelmen lispeln wollte, als er die langen Zweige deiner Trauerweide in Bewegung hielt?
    Ach ja, der See mit seinen schwarzen Schwänen! Wie blühten auf dem dunklen Wasser hell die Rosen, die weißen, denen jeder See den Namen gibt. Auf den breiten Rillenblättern quakten laut die Frösche. Bezaubernd schöne Insel dieser Welt – wer könnte deinen Atem trinken, ohne ein Poet zu werden?
    Mit seinen zierlichen Schritten strebte Alain Chartier wieder zum unausweichlichen, ihn wie ein Magnet anziehenden Ziel. Wieder ging er die von Blüten eingesäumten Wege, begrüßte Schilf und Vögel, Trauerweide und die Schwaneninsel und sank mit müdem, aber glücklichen Seufzer auf die weiße Bank, um noch einmal seine Seele ganz im Schönen auszuspannen, ehe er ins Schloß treten würde, um
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