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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden
Autoren: Simon Halo
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Verantwortung lag nun auf seinen Schultern. Wobei die Schriften und Bilder in dieser Angelegenheit eindeutig waren. Auf zwei Jüngern würde die neue Kirche gegründet werden: Der eine trug ein schwarzes Gewand und streckte einen stabförmigen Gegenstand von sich. Der andere hatte lange Haare und umfasste mit jeder Hand eine Art Funken sprühenden Feuerball.
    Die erste Person beschrieb eindeutig ihn, da war der Pater sich sicher. Probleme bereitete ihm allerdings die zweite Person. Die langen Haare mussten nicht unbedingt auf eine Frau hindeuten. Doch wenn er ehrlich war, hatte er mehr als nur eine Vermutung. Es gab nur eine Person in seinem Umfeld, die lange Haare trug und regelmäßig mit Feuer hantierte. Nur eine Person besaß die nötige Durchschlagskraft – und das meinte er durchaus wörtlich. Ja, Pater Johann dachte an eine Expertin auf dem Gebiet der Sprengung, an die Frau seines besten Freundes; die Frau, die jetzt Witwe war.
    Fühlte er sich schuldig? Nein, nicht mehr. Das alles erfüllte schließlich einen höheren Zweck. Schuldig war er damals, als er sich vom Staat hatte missbrauchen lassen – ein Spion, weit hinter den feindlichen Linien. Damals, als die Macht über Leben und Tod ihn verführt und er seinen Vorgesetzten blind gehorcht hatte. Doch dann brachte der deutliche Fingerzeig Gottes ihn in Form unerträglicher Kopfschmerzen und plötzlich auftretender Schwindelanfälle wieder auf den rechten Weg. Gedemütigt und gequält fand er im Glauben Trost und im Gebet Hoffnung. Was folgte, war eine Umschulung der besonderen Art. Nach vielen Jahren im Kloster führte die Schlagzeile in einer Lokalzeitung ihn zu einem ehemaligen Schulkameraden. Er hatte ihn auf dem Bild sofort wiedererkannt, zu unverwechselbar waren dessen Gesichtszüge. Gemeinsam waren sie dann der Ursache seiner körperlichen Zusammenbrüche auf den Grund gegangen, tief in seinem Gehirn. Und sie hatten dort etwas entdeckt, das in keinem Medizinbuch der Welt erwähnt wurde. Einen Bereich, der sich stimulieren ließ und wahrlich Göttliches offenbarte.
    Und jetzt? Jetzt war er eine der Schlüsselfiguren an der Speerspitze Gottes. Mit dem Zitat aus der Bibel hatte er den Stein ins Rollen gebracht. Ein einfacher Zettel, platziert auf dem schlichten Tisch in Maries Krankenzimmer. Sie musste die göttliche Botschaft gelesen und sofort gehandelt haben, mit erschreckender, aber nötiger Kompromisslosigkeit. Wie ein Blitzschlag mussten die Worte bei ihr diese ganz spezielle Hirnregion – das Gotteszentrum, wie er es nannte – aktiviert haben. Dass sie eine der Auserwählten sein könnte, hatte der Pater gleich bei ihrer Bewerbung um die Novizenstelle gespürt. Ihre Augen strahlten damals diese geheimnisvolle Traurigkeit aus, und der beigelegte Lebenslauf bot so außergewöhnliche Details wie einen Pilotenschein. Ein Foto, das sie in einem startenden Tragschrauber zeigte, hatte es dem Pater besonders angetan – wie ein Engel mit Flügeln aus Stahl. Dazu passend ihr Name: Marie Kraft. Nachdem sie ihm dann am Ende des Vorstellungsgesprächs so innig und fest die Hand gedrückt hatte, war ihm die Entscheidung leichtgefallen.
    Pater Johann schob die zusammengerollten Pergamentstücke in den hohlen Penisschaft zurück und grinste. Wäre ihm dieses teuflisch anmutende Schnitzwerk damals nicht unsanft auf den Boden gefallen, hätte es wohl noch für lange Zeit sein Inneres verbergen können. Im Normalzustand ließ sich der Verschluss nämlich nur durch das gleichzeitige Drücken und Drehen am Eichelansatz öffnen. Eine äußerst raffinierte Technik, vergleichbar mit der gefährlicher Plastik-Behältnisse, bei denen das Öffnen durch Kinderhände unmöglich gemacht werden sollte. Für die damalige Zeit jedenfalls ein wahres Meisterwerk an Handwerkskunst.
    Hatte er bis vor kurzem den ersten Kontakt mit dem hölzernen Phallus insgeheim noch verflucht, wusste er es inzwischen besser: Die im Inneren versteckten Offenbarungen in Bild und Schrift zeigten eben nicht die Verherrlichung des Teufels. Im Gegenteil. Sie gaben ganz offenbar unschätzbare Hinweise, um sich seiner zu entledigen.
    Eine abschließende Drehbewegung später rastete der Verschluss mit einem hörbaren Knacken ein. Sorgfältig umwickelte Pater Johann nun das hölzerne Glied wieder mit dem feinen Tuch und legte es in die unscheinbare Schublade direkt unter der Tischplatte. Dann bückte er sich. Hinter einem Stapel Zeitschriften – rechts vom Lesetisch – ertastete er in einer
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